Wirtschafts-, Finanzpolitik & Recht

Produktion läuft in Krisensituation weiter

Betriebe haben Produktion reduziert, zu einem Stillstand kommt es allerdings  nirgends. Kritische Situation bei Lieferketten und Investitionen.

Laut einer Umfrage der Industriellenvereinigung Niederösterreich (IV-NÖ) rechnen 40 Prozent der Industriebetriebe damit, ihre Produktion in den nächsten vier Wochen im Ausmaß von 75 bis 100 Prozent des Normalbetriebs weiterlaufen zu lassen. 40 Prozent rechnen mit einer Produktionsauslastung 50 bis 75 Prozent in den nächsten vier Wochen. Kein einziges der befragten Unternehmen geht davon aus, die Produktion komplett stillzulegen.

„Das ist ein Lichtblick in diesen turbulenten Zeiten. Die aktuelle Produktivität ist vor allem auf die loyalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Industriebetriebe zurückzuführen. Ihnen gilt unser größter Dank, weil sie mit ihrem Engagement die Versorgung in Niederösterreich aufrechterhalten“, erklärt dazu IV-NÖ-Präsident Thomas Salzer.

Aufgrund der Coronakrise steht die IV-NÖ auch in einem engen Austausch mit der NÖ Landespolitik. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner sieht in diesem Schulterschluss zwei gemeinsame Herausforderungen: „Wir müssen das Leben unserer Mitmenschen schützen. Und gleichzeitig die wirtschaftliche Existenz der Betriebe und ihrer Beschäftigten bewahren. Das gelingt den Unternehmen, indem sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Moment so großen Einsatz zeigen, bestmöglich schützen. Danke an alle, die das möglich machen und somit unsere Versorgung im Land absichern.“

IV-NÖ-Präsident Thomas Salzer im Gespräch mit Wirtschaftslandesrat Jochen Danninger und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.
Foto: NLK Pfeiffer

 

„Eine starke Industrie ist für die Widerstands- und Zukunftsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes entscheidend. Das zeigt sich aktuell in der Krise: Alle niederösterreichischen Industriebetriebe haben trotz größter Herausforderungen während des Lockdowns ihre Produktion – zumindest teilweise - und somit unseren gesamten Wirtschaftskreislauf aufrechterhalten. Manche haben kurzerhand ihre Produktion beispielsweise auf dringend benötigte Desinfektionsmittel umgestellt“, betont Wirtschaftslandesrat Jochen Danninger.

Unsichere Perspektiven

Was die zukünftige Produktionsauslastung in den nächsten Monaten betrifft, zeigen sich die Unternehmen – zumindest vorsichtig – optimistisch. Knapp die Hälfte (48%) geht davon aus, in den nächsten neun Monaten eine Auslastung von 75 bis 100 zu erlangen. Nichtsdestotrotz gaben 27 Prozent der befragten Unternehmen an, noch keine Aussagen über ihre Produktionsauslastung in den kommenden neun Monaten geben zu können. 

Probleme bei Lieferketten

Als größtes Hemmnis für die Wiederherstellung des vollständigen Produktionsausmaßes sehen die Unternehmen die Verfügbarkeit von ausländischer Vorleistungen (44%), gefolgt von kritischen Lagerbeständen (25%) und der Verfügbarkeit inländischer Vorleistungen (19%). „Die größten Hindernisse liegen also im Bereich der Lieferketten, was in erster Linie auf die Schließungen und Wartezeiten an der Grenze sowie die geringe Verfügbarkeit von Frächtern zurückzuführen ist“, so Salzer.

Kurzarbeit statt Kündigungen

Laut Umfrage setzen 75 Prozent der Unternehmen auf die neue Corona-Kurzarbeit, um die aktuellen Produktions- und Auftragsausfälle zu kompensieren. Viele Betriebe nutzen zudem Betriebsurlaube (38%) oder den Abbau von Resturlaub oder sonstigen Zeitguthaben. Nur 1,9 Prozent der Unternehmen gaben an, aufgrund von Corona alles allerletzte Option Kündigungen vornehmen zu müssen. „Die Betriebe unternehmen sehr viel, um ihre Beschäftigten halten zu können. Das zeigt auch, wie wichtig die Corona-Kurzarbeit ist, um Arbeitsplätze abzusichern“, so Salzer.

Auffällig ist jedoch der Wunsch nach mehr Flexibilität bei der Kurzarbeit: „Viele Unternehmen wünschen sich längere Durchrechnungszeiträume als die aktuell eingeräumten drei Monate. Damit hätten die Betriebe noch mehr Spielraum, um in diesen turbulenten Zeiten ihre Liquidität abzusichern und Kündigungen auch auf längere Sicht zu vermeiden“, so Salzer. Jugendliche, die heuer eine Lehrausbildung in der Industrie beginnen wollen, haben übrigens nach wie vor gute Chancen: 60 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, im Herbst gleich viele Lehrlinge einzustellen wie ursprünglich geplant.

Zurückhaltung bei Investitionen

Ihre Investitionen haben die Unternehmen zu einem großen Teil aufgeschoben: 70 Prozent gaben an, ihren Investitionsplan aufgrund der Krise zu ändern. Als Gründe dafür werden vor allem Nachfrageeinbrüche (76%) genannt sowie die geringere Verfügbarkeit von Eigenkapital (41%) und unterbrochene Lieferketten (16%).

„Die Krise hat uns gezeigt, dass wir noch stärker auf einen gut abgesicherten Wirtschaftskreislauf im eigenen Land setzen müssen. Dazu braucht es aber auch unbürokratische Unterstützung aus der Politik und natürlich ausreichend Fachkräfte. Wichtig ist daher, dass Kinder und Jugendliche auch in dieser aktuell herausfordernden Unterrichtssituation mit Home-Schooling keine Nachteile erleiden. Schließlich brauchen wir in Zukunft unsere gut ausgebildeten heimischen Fachkräfte umso mehr, damit wir nach der Coronakrise als Industriestandort wieder voll durchstarten können“, so Salzer. 

 

Befragungsmethode:

An der Befragung haben 54 Mitgliedsunternehmen der IV-NÖ im Zeitraum von 14. bis 16. April teilgenommen. Das Sample setzt sich aus Unternehmen unterschiedlicher Größe zusammen: 29 % < 100 Mitarbeiter, 23 % mit 100-250 MA, 17 % 250-500 MA, 21 % 500-1.000 MA, 10 % > 1.000 MA. Ein knappes Drittel (30%) aller befragten Unternehmen stammt aus der Metalltechnischen Industrie, die auch die größte Branche innerhalb der NÖ Industrie ausmacht. Darüber hinaus hat die IV-NÖ in den ersten zwei Wochen der Coronakrise zwei weitere, allerdings rein qualitative, Blitzumfragen unter den Mitgliedsunternehmen zum Thema Covid-19 durchgeführt.

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