IV-NÖ-Mitgliedernews

„Wir stehen auf einem soliden Fundament“

Erwin Hameseder, Obmann der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien, im Gespräch mit dem Mitgliedermagazin "iv-positionen" über die Auswirkungen der Krise auf den Bankensektor und die Industriebeteiligungen sowie die Rolle der österreichischen Miliz.

Das Ausmaß der Coronakrise hat viele Betriebe überrascht. Wie sind Sie bei Raiffeisen NÖ-Wien damit umgegangen?

Hameseder: Es war ein Kraftakt, aber es ist uns gut gelungen. Im Fokus stand die Sicherung der Gesundheit unserer Kunden und Mitarbeiter sowie das Aufrechthalten des Geschäftsbetriebs. Trotz unserer dezentralen Struktur sind wir enger zusammengerückt, indem wir Wissen geteilt und in eine Richtung gearbeitet haben.

Die Raiffeisen-Holding NÖ-Wien ist auch an mehreren Industrie-Unternehmen beteiligt – etwa an der Agrana, der NÖM AG oder Leipnik Lundenburger Invest. Wie stark wurden diese Betriebe von der Krise getroffen?

Mit strengen Schutzmaßnahmen wurde die Produktion auch in der Akutphase aufrechterhalten und der Versorgungsauftrag erfüllt. Mehr noch, diese Unternehmen haben sich auf die neue Situation eingestellt: So hat z.B. AGRANA neben der Lieferung von hochprozentigem Alkohol an Großabnehmer der Desinfektionsmittelindustrie auch selbst Flächen- und Handdesinfektionsmittel produziert. 

Viele Industriebetriebe brauche jetzt rasche Hilfe. Wo sehen sie die größten Hindernisse bei der Unternehmensfinanzierung?

Wir sind in enger Abstimmung mit Förderstellen und der Bundesregierung und nutzen unser Spezialwissen, um rasch zu helfen, wo es uns möglich ist. Wir können jedoch Kredite trotz staatlichen Garantien nicht freihändig vergeben, wir sind an strenge Regularien gebunden.

Was müssen Unternehmen bedenken, wenn Sie Kreditstundungen und Neukredite beantragen?

Die Situation jedes Unternehmens, jedes Kunden, ist eine andere. Speziell die individuelle Beratung ist daher von zentraler Bedeutung. Das ist unser Kerngeschäft. Wir haben uns sehr schnell auf die Bedürfnisse unserer Kunden eingestellt, indem wir z. B. kompakt aufbereitete Informationen online jederzeit griffbereit zur Verfügung stellen oder für Unternehmenskunden einen Handy-Signatur-Prozess ermöglichen.

Wie wird sich die Coronakrise langfristig auf den Bankensektor auswirken?

Im Unterschied zur Finanzkrise 2007/2008 sind die Banken diesmal ein wesentlicher Teil der Lösung, weil sie den Unternehmen Liquidität und nachhaltige Finanzierungslösungen bereitstellen. Man sieht schon jetzt, dass Österreich im europäischen Vergleich rasch und gut reagiert hat, was sich letztlich auch auf die Erholung der Wirtschaft positiv auswirken wird. Mit steigenden Kreditausfällen müssen die Banken wegen des generell prognostizierten Wirtschaftsabschwungs trotzdem rechnen. Die daraus entstehenden Auswirkungen auf den Finanzsektor werden maßgeblich davon abhängen, in wie weit mit den staatlichen Hilfsprogrammen Kreditausfällen vorgebeugt wird bzw. im Falle von Kreditausfällen der Effekt für die Banken abgemildert werden kann. Für Raiffeisen NÖ-Wien kann ich sagen, dass wir über eine solide Eigenkapitalausstattung verfügen, gemeinsam mit den guten Kapitalquoten stehen wir auf einem soliden Fundament zur Bewältigung der nächsten, ohne Zweifel schwierigeren Jahre.

Sie sind auch Milizbeauftragter und Generalmajor des Bundesheers. Im Mai kam es erstmals in der 2. Republik zu einer Teilmobilisierung der Milizkräfte. Wie haben Sie diesen Einsatz bislang erlebt?

Die Corona-Krise ist beispiellos und es geht nach wie vor darum, das zivile Leben und den Wirtschaftsstandort bestmöglich zu sichern. Unsere MilizsoldatInnen zeigen eindrucksvoll, dass das Bundesheer und die Menschen in Österreich auf sie zählen können. Von der Einsatzbereitschaft und der Disziplin konnte ich mich selbst bei mehreren Truppenbesuchen überzeugen. Ohne Miliz als Garant für die Durchhaltefähigkeit des Bundesheers geht es nicht, diese Tatsache wird den ÖsterreicherInnen gerade wieder etwas bewusster.

Wenn Sie drei Dinge am Industriestandort Niederösterreich ändern könnten, was würden Sie tun?

In der Krise ist klar geworden, dass der Weg in Niederösterreich, auf den Ausbau der Infrastruktur und digitalen Netze zu setzen, richtig ist. Diese ausgewogene Entwicklungsstrategie für die produzierenden Betriebe im Land muss unbedingt weitergehen. So können qualifizierte Arbeitsplätze erhalten werden und ein geordneter Wiederaufbau starten.

 

 

Raiffeisen-Holding NÖ-Wien
Der Fokus der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien liegt auf ihren Beteiligungen in den Geschäftsfeldern Agrar, Bank, Infrastruktur und Medien. Das Banken-Beteiligungsportfolio umfasst die Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien sowie 53 eigenständige Raiffeisenbanken.

Erwin Hameseder
Erwin Hameseder ist seit 2012 Obmann der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien. Seine Karriere startete er 1987 in der Rechtsabteilung der RLB NÖ-Wien. Danach war er unter anderem von 1994 bis 2012 Geschäftsleiter und Generaldirektor der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien sowie von 2007 bis 2012 zusätzlich Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor der RLB NÖ-Wien AG. Der ausgebildete Offizier ist seit 2015 Milizbeauftragter des Österreichischen Bundesheeres und wurde 2017 zum Generalmajor ernannt. Zudem ist er Mitglied im Vorstand der IV-NÖ und der Bundes-IV.