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Industriebetriebe zwischen Zuversicht und Sorge

Die NÖ Industrie hielt das Land auch im Lockdown am Laufen. Bei den Prognosen für einen Aufschwung 2021 bleiben die Unternehmen zurückhaltend.

Während Gastronomie und Fachhandel im zweiten Lockdown geschlossen bleiben mussten, hat sich für die Industrieunternehmen vergleichsweise wenig geändert: Mehr als drei Viertel der Industrieunternehmen (77,2%) verzeichneten im Dezember eine Produktionsauslastung von über 80 Prozent – so eine gemeinsame Umfrage der Industriellenvereinigung NÖ (IV-NÖ) und der Sparte Industrie der Wirtschaftskammer NÖ, an der 79 Betriebe teilgenommen haben.

Zu spüren bekommen die Unternehmen die aktuelle Krise dennoch: Für das erste Halbjahr 2021 glauben nur mehr etwas mehr als die Hälfte der Betriebe (58,23 %) an einen gleich hohen oder gar höheren Auftragsstand als im zweiten Halbjahr 2020. Als größtes Hindernis für die Produktion wird die geringere Kundennachfrage genannt, gefolgt behördlich abgesonderten und damit nicht verfügbaren Beschäftigten und dem generellen Fachkräftemangel.

„Der Nachfragerückgang hat in vielen Fällen auch mit der Schließung der Gastronomie zu tun. Viele Industrieunternehmen sind hier Zuliefererbetriebe. Ihnen fällt nun ein wichtiger Absatzmarkt weg – und das ohne jeglichen Umsatzersatz“, so IV-NÖ-Präsident Thomas Salzer

Großteil der Unternehmen setzt auf betriebliche Teststrategie

Zu eingeschränkten Produktionsabläufen kommt es auch, wenn Schlüsselpersonal aufgrund von Quarantänebescheiden nicht verfügbar ist. „Deswegen wäre es wichtig, dass bei Beschäftigten, die als Kontaktpersonen ersten Grades in Quarantäne sind nach zwei negativen Antigentests am dritten und fünften Tag die Absonderung beendet werden kann“, so Salzer.

Die Umfrage macht zudem auch die Bestrebungen der Industriebetriebe im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie deutlich: Der Großteil setzt auf eine betriebliche Teststrategie – etwa durch firmeninterne Testungen, die WKNÖ/AKNÖ-Testaktion oder in Kooperation mit privaten Laboren. Nur 30 Prozent setzen ausschließlich auf die Zusammenarbeit mit den Behörden.

„Die Industrieunternehmen betreiben einen massiven Aufwand für Sicherheit, Schutz und Gesundheit ihrer Beschäftigten“, so Salzer. Kritik übt der IV-NÖ-Präsident an der 3. Covid-19-Schutzmaßnahmenverordnung: „Es kann nicht sein, dass eine Verordnung, die am 17. Dezember in Kraft tritt, erst am 16. Dezember kommuniziert wird. Das lässt an der Rechtsstaatlichkeit sowie an der Handlungsfähigkeit der verantwortlichen Institutionen zweifeln.“

Schwarzl: Kurzarbeit für die Industrieunternehmen keine Dauerlösung   

Die hohe Bedeutung der Industrieunternehmen für den niederösterreichischen Arbeitsmarkt zeigen die Umfrageergebnisse zum Thema Kurzarbeit: Drei Viertel der Unternehmen gaben an, aktuell keine Kurzarbeit angemeldet zu haben. Für das erste Quartal 2021 gab hingegen jedes fünfte Unternehmen an, aktuell noch nicht abschätzen zu können, ob Anmeldungen zur Kurzarbeit wieder erforderlich seien.

„Auch, wenn Kurzarbeit für den Großteil der Unternehmen aktuell kein Thema mehr ist, zeigen die Detailergebnisse, wie wichtig dieses Modell in der Krise ist. Die Industrieunternehmen nutzen die Kurzarbeit, um kurzfristige Nachfragerückgänge abzufedern und Kündigungen zu vermeiden, aber nicht als Dauerlösung“, erklärt dazu Helmut Schwarzl, Spartenobmann der NÖ Industrie.

Hohe Nutzung der Investitionsprämie

Eine weitaus nachhaltigere Maßnahme zur Bekämpfung der Krise ist die Investitionsprämie. 76 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, die Investitionsprämie bereits genutzt zu haben oder demnächst nutzen wollen. Von diesen Betrieben gaben wiederum 62 Prozent an, dass die Verfügbarkeit der Investitionsprämie ihre Entscheidung, zu investieren wesentlich beeinflusst habe.

Helmut Schwarzl, Obmann der WKNÖ-Sparte Industrie und Geschäftsführer von Geberit Österreich
Foto: Felix Büchele

 

„Investitionen führen zu Wachstum und sind daher eine bedeutende Stütze für den Weg aus der Krise. Die Aufstockung der Investitionsprämie auf drei Milliarden war ein wichtiger Schritt. Wir gehen davon aus, dass auch diese Mittel noch vor Ende Februar ausgeschöpft sein werden. Eine weitere Aufstockung und Verlängerung wird daher unerlässlich sein, um den eintretenden Aufschwung nicht auszubremsen“, so Schwarzl.

Fachkräfte: Neue Herausforderungen durch Distance Learning

Die Umfrageergebnisse machen ein Problem deutlich, mit dem Industriebetriebe auch nach der Krise noch konfrontiert sein werden: den Fachkräftemangel. Während sich dieser aufgrund demografischer Entwicklung ohnehin bereits zuzuspitzen drohte, kommen nun neue Herausforderungen dazu: Laut Umfrage befürchten die Unternehmen, dass sich Bildungsdefizite durch die Covid19-Pandemie verschärften könnten.

„Die Betriebe schätzen den Lehr- und Lernerfolg beim Distance Learning durchgehend geringer ein. Vor allem bei Jugendlichen und Berufsschülern ist der persönliche Kontakt und Praxisbezug besonders wichtig für die Entwicklung. Zusätzlich erfordert Distance Learning ein hohes Maß an Selbstdisziplin und Eigenverantwortung“, so Schwarzl.

Darüber hinaus zeigen die offenen Antworten aus der Umfrage die hohe Bedeutung der Reisefreiheit. Da die Industriebetriebe für den Weltmarkt produzieren, sind Geschäftsreisen zu Kunden und Partnern sowie Auslandseinsätze für Reparaturen und Wartungen unumgänglich. „Es war ein richtiger und wichtiger Schritt, dass in der neuen Einreiseverordnung ab 19. Dezember die strengen Quarantänebestimmungen nicht für beruflich Reisende gelten und ein Freitesten möglich ist“, so Salzer und Schwarzl unisono.

 

Befragungsmethode:
An der gemeinsamen Online-Befragung der IV-NÖ und WKNÖ-Sparte Industrie haben 79 Industrieunternehmen im Zeitraum von 3. bis 13. Dezember teilgenommen. Die meisten der Unternehmen stammen aus der metalltechnischen Industrie (20,25 %), gefolgt von chemischen Industrie und der Holzindustrie (jeweils 13.95 %). Insgesamt handelte es sich vorwiegend um Klein- und Mittelbetriebe (KMU): 41,77 % der teilnehmenden Betriebe hatten zwischen 50 und 250 Beschäftigten, 29,11 % weniger als 50 Beschäftigte, 21,52 % mehr als 500 Beschäftigte und nur 7,59 % zwischen 250 und 500 Beschäftigte.

 

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