Der notwendige Umbau der Industrie in Richtung Klimaneutralität steht außer Frage. Die zentrale Herausforderung dabei ist: Wie lässt sich Klimaschutz so gestalten, dass er wirtschaftlich tragfähig ist? Diese Frage stand im Zentrum der Veranstaltung „Clean Industrial Deal: Vom Kostenfaktor zum Wachstumsmotor“, zu der die Industriellenvereinigung Niederösterreich (IV-NÖ) am Donnerstag in den Austrian World Summit Solutions Hub in Asparn an der Zaya geladen hatte.
„Es ist für Österreichs Industrie Zeit, neu durchzustarten und ihren Platz auf den vordersten Rängen des Weltmarkts zurückzuerobern. Erfolg entsteht jedoch nur, wenn wir selbst überzeugt sind und als Industrie vorangehen. Dann ziehen wir auch den Rest der Wirtschaft und Gesellschaft mit. Jetzt heißt es daher: anpacken und Verantwortung übernehmen. Nachhaltigkeit darf kein Schlagwort bleiben, sondern muss zum echten Business Case werden. Der Wandel ist alternativlos – aber er muss gelingen, ohne unseren Standort zu gefährden. Ja, es braucht strukturelle Reformen für einen echten Neustart. Aber es braucht auch Leadership. Und wir als Industrie haben in der Vergangenheit gezeigt, dass wir in schwierigen Zeiten die richtigen Entscheidungen treffen“, unterstrich IV-NÖ-Präsident Kari Ochsner bei der Veranstaltung.
Der Standort bringt mit seiner technologischen Leistungsfähigkeit, der industriellen Vielfalt und gut ausgebildeten Fachkräften die besten Voraussetzungen mit, um den Wandel aktiv und wirtschaftlich erfolgreich zu gestalten. Österreichs Green-Tech-Unternehmen zählen zum Beispiel weltweit zur Innovationsspitze. Die Branche umfasst rund 2.700 Unternehmen und sichert mit assoziierten Bereichen über 100.000 Arbeitsplätze. Mit einem Umsatz von über 15 Milliarden Euro pro Jahr und einer Exportquote von knapp 72 Prozent ist sie längst ein starker wirtschaftlicher Motor. Diese technologische Führungsrolle muss jetzt auch ausgespielt werden.
Was es dafür braucht, ist klar: international wettbewerbsfähige Energiepreise - etwa durch die Strompreiskompensation für energieintensive Betriebe -, die rasche Umsetzung des Erneuerbaren Ausbau-Beschleunigungsgesetzes (EABG), den beschleunigten Netzausbau, schnellere Genehmigungsverfahren, Investitionsanreize, steuerliche Entlastungen und eine aktive Standortpolitik, die Innovationen fördert, anstatt sie zu bremsen.
Elisabeth Zehetner, Staatssekretärin für Energie, Tourismus und Start-ups, betonte: „Energiepolitik ist heute mehr denn je Standortpolitik. Sie entscheidet darüber, ob unsere Industrie im internationalen Wettbewerb bestehen kann – oder ob wir riskieren, den Anschluss zu verlieren. Denn ohne leistbare, verlässliche und saubere Energie gibt es keine Zukunft für Produktionsstandorte in Europa. Mit dem Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) und dem Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG) setzen wir die größte Energiereform seit Jahrzehnten um. Unser Kurs ist klar: Wir wollen runter mit den Netzentgelten – weil hohe Energiepreise nicht nur Betriebe ausbremsen, sondern auch unseren gesamten Wohlstand gefährden. Es geht um Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit – und um die Frage, wie wir als Wirtschaftsstandort langfristig erfolgreich bleiben.“
Ein inhaltliches Fundament lieferte die Keynote von Wilfried Sihn vom Fraunhofer Institut Austria. Er präsentierte zentrale Erkenntnisse aus dem Whitepaper zu nachhaltigen Wertschöpfungssystemen und zeigte auf, wie klimaneutrale Produktionstechnologien bereits heute wirtschaftlich eingesetzt werden können. Entscheidend dafür seien ein strategischer Zugang zur Umstellung der Produktionssysteme, ein effizienter Ressourceneinsatz und unternehmerischer Mut.
Sihn verdeutlichte: „An einem nachhaltigen Wirtschaftssystem führt heute kein Weg mehr vorbei, auch wenn die EU die Zügel gerader wieder etwas lockert. Die Frage ist also nicht mehr ob, sondern eigentlich nur noch, wie jedes einzelne Unternehmen für sich den Weg findet, sein bisheriges Geschäftsmodell in ein zukünftig nachhaltiges Geschäftsmodell zu verändern und das in einer ökonomisch und sozialen Art und Weise. Und dazu gibt es sehr viele auch ökonomisch interessante Wege. Aber man muss bereit sein, bisherige – durchaus auch erfolgreiche Pfade - zu verlassen und neue – anfangs manchmal auch holprige Wege – zu beschreiten. Aber, wenn wir heute nicht damit anfangen, werden wir nächste Woche nicht fertig sein!“
Dass der internationale Wettbewerb auf Österreich und Europa nicht wartet, wurde im weiteren Verlauf der Veranstaltung deutlich. Auf EU-Ebene wurde zwar mit dem „Clean Industrial Deal“ ein erster Schritt gesetzt – zu wenig, sagen viele.
IV-NÖ-Geschäftsführerin Michaela Roither forderte daher ein klares industriepolitisches Bekenntnis: „Die EU hat erkannt, dass es nicht reicht, nur Umweltziele zu formulieren. Es braucht einen wirtschaftspolitischen Unterbau. Maßnahmen dürfen nicht nur angekündigt werden, sondern sie müssen so gestaltet werden, dass sie die Wettbewerbsfähigkeit wirklich stärken. Österreich sollte sich an die Spitze einer strategisch ausgerichteten Industriepolitik stellen, die Klimaziele mit wirtschaftlicher Stärke verbindet.“
Schon heute exportieren viele österreichische Unternehmen erfolgreich ihre nachhaltigen Technologien – vom Energiemanagement über das Wasser- und Abfallmanagement bis zur CO₂-armen Produktion. Mit den richtigen Rahmenbedingungen am Standort kann Österreich daher zum Leuchtturm für wirtschaftlich tragfähige Nachhaltigkeit in Europa werden.
Darum ging es auch in der prominent besetzten Podiumsdiskussion zum Abschluss des Fachprogramms: IV-NÖ-Präsident Kari Ochsner, Staatssekretärin Elisabeth Zehetner, Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß, CEO der Fronius GmbH, Herbert Greisberger, Geschäftsführer der eNu – Energie- und Umweltagentur Niederösterreich, und Christoph Jünger, Geschäftsführer von UNICEF Österreich, tauschten sich über die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Anforderungen an eine zukunftsfähige Industriepolitik aus. Moderiert von Hanna Kordik (Die Presse), spannte sich der Bogen von Standortfragen über konkrete Umsetzungshürden in der Praxis bis hin zu den gesellschaftlichen Herausforderungen der Energiewende.