„Energie-Gemeinschaften sind eine Option, die für Unternehmen spannend ist“, sagt Roland Matous, Energie-Experte bei Energie Zukunft Niederösterreich (EZN), ein gemeinsames Tochterunternehmen der EVN und dem Land NÖ (ENU), im Mitglieder-Call der Industriellenvereinigung Niederösterreich. Denn damit könnten die Kosten massiv beeinflusst werden: „Ich kann nämlich den Preis in meiner Energie-Gemeinschaft selbst festsetzen, ich kann ihn fixieren und kann ihn theoretisch sogar auf nahe Null setzen.“
Gerade Niederösterreich ist prädestiniert für Erneuerbare Projekte. Es ist ein Flächenbundesland mit vielen Kleinregionen und Ortschaften. Außerdem hat es bereits eine lange Tradition im Bereich der Erneuerbaren Energieerzeugung. Derzeit setzt allein die EZN, die auf diesem Gebiet viel Pionierarbeit geleistet hat, mit 200 Gemeinden Projekte um – vom kleinen Einkaufszentrum in St. Pölten bis hin zu ganzen Regionen wie im Raum Amstetten samt ihrer Bürgerinnen und Bürger und Gewerbebetriebe.
Was sind eigentlich Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften bzw. Bürger-Energie-Gemeinschaften?
Regional oder lokal angesiedelte Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften sind relativ neue Akteure am Energiemarkt, erklärt Matous. Vor allem wird es ermöglicht, innerhalb der Gemeinschaft Energie gemeinsam zu nutzen, sofern die jeweiligen Mitglieder im örtlichen Nahebereich zueinander sind.
Als eigene Rechtspersönlichkeiten können Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften etwa als Vereine, Genossenschaften, GmbHs etc. organisiert sein. Die genaue Ausgestaltung ist davon abhängig, ob es sich um eine stabile, gleichbleibende Teilnehmerzahl handelt oder sich diese immer wieder ändert. Der Hauptzweck einer Energie-Gemeinschaft liegt nicht im finanziellen Gewinn, sondern es geht vorrangig um ökologische, wirtschaftliche oder sozialgemeinschaftliche Vorteile.
Kann jeder bei einer Energie-Gemeinschaft mitmachen?
Eine Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft besteht aus mindestens zwei Mitgliedern. Die größte Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft Niederösterreichs befindet sich im Raum Amstetten und umfasst circa 600 bis 800 Mitglieder. Mit dabei sind sowohl Unternehmen wie auch Privatpersonen.
Wie können Industriebetriebe davon profitieren?
Gerade für Industriebetriebe mit hohem Stromverbrauch ist zum Beispiel eine Bürger-Energie-Gemeinschaft ein interessantes Modell. Während bei einer Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft die KMU-Grenze nicht überschritten werden darf, ist eine Teilnahme von Großunternehmen bei Bürger-Energie-Gemeinschaften möglich. Die Vorteile bei diesem Modell: Strom kann in ganz Österreich getauscht werden. Außerdem kann der Preis selbst festgesetzt und fixiert werden. Bei der Bürger-Energie-Gemeinschaft gibt es keine Ersparnis bei Netzkosten, beim Öko-Strom-Förderbeitrag oder der E-Abgabe wie bei der Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft.
Andreas Rautner von der EZN veranschaulicht die Bandbreite an Möglichkeiten anhand eines Praxisbeispiels, das gemeinsam mit der Niederösterreichischen Wirtschaftsagentur Ecoplus umgesetzt werden soll. „Im Wirtschaftspark Ennsdorf haben sich einige Betriebe zusammenschlossen. Betrieb A hat überschüssigen Strom aus einer Photovoltaik-Anlage und will diesen Betrieb B zur Verfügung stellen. Dieses Matching nehmen wir vor. Wir können das liegenschaftsübergreifend machen oder auch bei Filialbetrieben innerhalb eines Unternehmens.“ Dabei müssen die Filialen gar nicht in der gleichen Region sein.
Gibt es schon Best-Practice-Beispiele?
Albert Knotz von unserem Mitgliedsunternehmen Welser Profile im Mostviertel berichtete aus der Praxis, wie eine Energiegemeinschaft erfolgreich funktionieren kann. Welser Profile verfügt über eine der größten Photovoltaik-Dachanlagen Niederösterreichs. Über EMICOM (Energiegemeinschaft mit Mitarbeitereinbindung und Communitymanagement) werden auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in das Projekt eingebunden. „Zum Tragen kommen vor allem der Marketingaspekt und der Sozialaspekt: Ich kann meinen Mitarbeitern Strom von meiner Anlage zugänglich machen, und das zu einem günstigeren Preis als beim Bezug über einen Stromanbieter.“
Knotz weist dabei darauf hin, dass sich Energie-Gemeinschaften nicht zur Gewinnmaximierung eignen. „Ein Betrieb, der eine PV-Anlage betreibt und Überschuss erzielt kann bei den gegenwärtigen Marktbedingungen über die ÖMAG einen höheren Tarif erzielen als über die Teilnahme an einer Energie-Gemeinschaft.“ Daher eignen sich für Knotz Energie-Gemeinschaften aus Unternehmenssicht eher als Marketinginstrument für regional produzierten grünen Strom. Ein abschließender Tipp für alle Interessierten: „Es ist ein zeitaufwendiges Projekt. Wenn sich eine Energie-Gemeinschaft gründet, dann schauen Sie sich zunächst diese an und versuchen Sie nicht, eine eigene zu gründen.“
Wo gibt es Unterstützung bei der Umsetzung?
Die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen rund um die Gründung einer Energie-Gemeinschaft sind sehr komplex. Sie reichen bis hin zu Fragen, wie der Tarif ausgestaltet sein soll, die Verrechnung abläuft und die Mitgliederverwaltung funktioniert. Doch dafür gibt es professionelle Unterstützung wie beispielsweise bei der EZN.
Energie-Experte Rautner ist überzeugt, dass die dezentrale erneuerbare Energieerzeugung ein Massenkunden-Geschäft wird. „Wenn wir stark in Richtung Elektrifizierung gehen – beispielsweise E-Mobilität oder Wärmepumpen als primäre Heizsysteme – dann braucht es Lösungen vor Ort. Das ist auch wichtig, um die übergelagerte Netzinfrastruktur zu entlasten.“