Die Industrie in Niederösterreich befindet sich in einer rezessiven Entwicklung. Die anhaltend hohen Energiepreise, die hohe Inflation und zugleich deutlich höhere Lohnabschlüsse in Österreich haben die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen im internationalen Vergleich massiv geschwächt.
Die Ergebnisse der Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung Niederösterreich (IV NÖ) für das zweite Quartal 2023, an der 37 Unternehmen mit insgesamt 15.791 Beschäftigten teilgenommen haben, bestätigen die Lage.
Das Konjunkturbarometer, mit dem das Geschäftsklima als Mittelwert zwischen der Beurteilung der aktuellen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten erfasst wird, stürzte von +1,4 auf -18,8 Punkte ab.
„Diese Situation war zu befürchten und hat sich schon seit Monaten abgezeichnet. Die Politik war und ist in ihrer Steuerung einfach zu langsam“, sagt IV-NÖ-Präsident Thomas Salzer. Betroffen sind die meisten Branchen, außer Unternehmen, die Technologien für den Energiebereich liefern oder im Kraftwerksbau tätig sind.
Die schlechte Stimmung in Niederösterreich im Vergleich zu anderen Bundesländern ist auf den hohen Anteil an energieintensiver Industrie und die starke Exportorientierung zurückzuführen. „Obwohl die Energiepreise nicht mehr so hoch sind wie vor einem Jahr, bleiben sie weiterhin hoch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern und insbesondere zu internationalen Märkten. Allein schon deswegen sind viele Unternehmen derzeit international nicht wettbewerbsfähig“, erklärt Salzer.
Salzer fordert die raschere Umsetzung von Unterstützungsmaßnahmen seitens der Politik, einschließlich der Etablierung einer kostengünstigen Energieversorgung, eine rasche Umsetzung von Kurzarbeitsmodellen für alle Betriebe und eine schnellere Auszahlung der angekündigten Energiezuschüsse: „Es muss etwas geschehen, sonst verlieren wir den globalen Anschluss!“
Die Einschätzung zur aktuellen Geschäftslage hat sich laut Umfrage in den Industriebetrieben von +2 Punkten auf -11 Punkte verschlechtert. Nur 13 Prozent der Unternehmen bewerten diese noch mit „gut“ (Q1/2023: 19 Prozent), 63 Prozent beurteilen sie mit „befriedigend“ (Q1/2023: 63 Prozent) und 24 Prozent mit „schlecht“ (Q1/2023: 18 Prozent).
Der Ausblick auf die kommenden sechs Monate hat sich von +1 Punkt auf -26 Punkte stark verschlechtert. Grund dafür ist, dass nur mehr 8 Prozent der Befragten eine günstigere Geschäftslage erwarten (Q1/2023: 24 Prozent). 58 Prozent gehen von einer „gleichbleibenden“ Situation aus, 34 Prozent rechnen mit einer deutlichen Verschlechterung (Q1/2023: 23 Prozent). Den aktuellen Auftragsbestand bewerten immer weniger Befragte positiv: Nur noch 21 Prozent erachten ihn als „gut“ (Q1/2023: 26 Prozent). Angesichts dieses Konjunkturbildes halten die Unternehmen weiter an einer vorsichtigen Produktionsplanung fest und fahren Kapazitäten zurück.
Viele Unternehmen leiden unter einem schlechten Exportumfeld, wie das Umfrageergebnis zu den Auslandsaufträgen zeigt. Der Saldo wurde nach einem vorübergehenden positiven Trend von +41 Punkte auf -15 Punkte regelrecht in den Negativbereich katapultiert. Nur noch 12 Prozent bewertet den diesbezüglichen Stand in den Auftragsbüchern mit „gut“ (Q1/2023: 47 Prozent), 61 Prozent mit „saisonüblich“ (Q1/2023: 27 Prozent). Für 27 Prozent ist er „zu niedrig“ (Q1/2023: 12 Prozent). „Teilweise ist die Kostensituation für Unternehmen in Österreich wettbewerbsbedingt so schlecht, dass sie für ihre Kunden nicht mehr produzieren können“, weiß Salzer. Eine dramatische Situation für den Standort, nach den guten Zuwächsen beim Exportvolumen im Jahr 2022.
Die Detailergebnisse der Umfrage zeigen auch, dass mit 61 Prozent die meisten Unternehmen ihren Beschäftigungsstand in den nächsten drei Monaten nicht verändern werden. 10 Prozent wollen Personal aufnehmen, 29 Prozent rechnen mit einer Reduktion ihres Mitarbeiterstandes.
Die Verkaufspreise zeigen eine Abkehr von der bisherigen Entwicklung. Nur noch 11 Prozent der Respondenten gehen von weiteren Erhöhungen aus. 29 Prozent rechnen mit fallenden Preisen.
Insgesamt bewerten mit 62 Prozent die meisten niederösterreichischen Industrieunternehmen ihre aktuelle Ertragssituation mit maximal „durchschnittlich“, nur 14 Prozent sind sehr zufrieden. In den kommenden sechs Monaten gehen viele Betriebe von einer Verschlechterung der Lage aus.
Abschließend betont Salzer: „Es bedarf klarer Zusicherungen seitens der Politik, dass Themen wie Energiepolitik, Energiesicherheit und Versorgungssicherheit ernsthaft angegangen und wirksame Maßnahmen zur Sicherung der Versorgung ergriffen werden. Diese Sicherheit muss man den Unternehmen geben. Dann wird sich die Stimmung wieder bessern und auch die Investitionsbereitschaft der Unternehmen steigen.“
Die IV-Konjunkturumfrage: Befragungsmethode
Die Befragung, die die IV-NÖ quartalsweise in Auftrag gibt, fand zwischen dem 9. Juni und dem 6. Juli 2023 statt. Bei den Detailergebnissen der Konjunkturumfrage der IV kommt die folgende Methode zur Anwendung: Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, danach wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet. Diese Werte werden auch für die grafische Darstellung der Ergebnisse herangezogen.