Die Erholungsphase nach der Krise hat sich in der niederösterreichischen Industrie im 3. Quartal eingetrübt. „Zwar haben sich die Industriebetriebe in Krisenzeiten als Wachstumstreiber erwiesen, doch die aktuellen Rohstoff- und Energiepreise könnten uns in die nächste Krise treiben“, sagt Thomas Salzer, Präsident der Industriellenvereinigung NÖ (IV-NÖ) anlässlich der Ergebnisse der IV-NÖ-Konjunkturumfrage.
Das IV-NÖ-Konjunkturbarometer, mit dem das Geschäftsklima als Mittelwert zwischen der Beurteilung der aktuellen und der Geschäftslage in sechs Monaten erfasst wird, ist im dritten Quartal 2021 von +32,0 auf +12,0 Punkte deutlich gesunken – und zwar erstmals seit Beginn der COVID-Pandemie. Auch die Detailergebnisse der Befragung, an der dieses Mal 32 Unternehmen mit insgesamt 14.177 Beschäftigten teilgenommen haben, fallen merkbar schlechter aus als im Vorquartal.
Bereits im Sommer hatten die Unternehmen mit einer konjunkturellen Verschlechterung im Herbst gerechnet – diese Einschätzungen wurden nun bestätigt: Der Bewertungssaldo bei der aktuellen Geschäftslage ist seit dem zweiten Quartal von +56 auf +27 Prozentpunkte gesunken. Nur noch ein gutes Drittel (38 %) der befragten Betriebe verzeichnen aktuell eine gute Geschäftslage, während 51 Prozent ihre Geschäftslage als befriedigend und elf Prozent als schlecht beurteilen. Bei der Einschätzung des aktuellen Auftragsstands sank der Saldo von +73 Prozentpunkten auf +58. Verschlechtert hat sich auch die derzeitige Ertragssituation: Hier sank der Bewertungssaldo von +38 Prozentpunkten im Vorquartal auf nunmehr +25 Prozentpunkte.
Hohe Energiepreise sorgen für Verunsicherung
Auch bei der Einschätzungen zu den kommenden Monaten haben sich die Umfrageergebnisse eingetrübt: Bei der Geschäftslage in sechs Monaten sank der Bewertungssaldo von +8 Prozentpunkte auf -3 Prozentpunkte und liegt damit erstmals seit dem Vorjahr wieder im negativen Bereich.
Als Ursache für die Verunsicherung nennt IV-NÖ-Präsident Thomas Salzer den aktuellen Gaspreisschock, nachdem sich der Gaspreis seit August des Vorjahres nahezu verachtfacht habe. Das entspricht einer Verdreifachung gegenüber dem Niveau der konjunkturellen Normallage „In Europa ist einfach zu wenig Energie da, insbesondere Wind- und Solarenergie liefern nicht genug. Deswegen und wegen der zuvor guten konjunkturellen Entwicklung ist der Bedarf an Gas gestiegen – und hat ein Ausmaß erreicht, das nicht geliefert werden konnte“, so Salzer. Infolgedessen stiegen auch die Kosten aller anderen Energieträger. „Jetzt rächt sich die fehlende strategische Energiepolitik. Die Rolle der Energie für die Produktionsbetriebe wurde von der Politik völlig unterschätzt. Energie ist ein strategischer Produktionsfaktor. Auch bei Nutzung aller Potenziale werden wir nach wie vor Energie importieren müssen“, so Salzer.
Salzer warnt zudem davor, dass die hohen Energiepreise zu Teuerungen in verschiedensten Bereichen führen werden: „In Niederösterreich sind viele Unternehmen in der Grundstoffindustrie tätig, die sehr energieintensiv ist. Die teilweise um bis zu 30 Prozent höheren Energiekosten werden sich auf die weiterverarbeitende Industrie und letztlich auch auf die Konsumentinnen und Konsumenten auswirken“, so Salzer. Er befürchtet, dass die Unternehmen eine Reihe an Hilfsmaßnahmen brauchen werden, um diesen Gaspreisschock zu überleben und fordert daher etwa Liquiditätshilfen in Form von Überbrückungsfonds für energieintensive Härtefälle sowie eine zeitlich begrenzte Reduktion energiespezifischer Abgaben. „Grundsätzlich sollten jene Unternehmen unterstützt werden, die ohnehin bereits dem Emissionshandel unterliegen“, so Salzer.
Bei der Ertragssituation in sechs Monaten stieg der Bewertungssaldo kaum merkbar von +1 auf +2. Fast jedes zehnte Unternehmen (9 %) rechnet mit sinkenden Erträgen im nächsten halben Jahr, während gleichzeitig nur noch 11 Prozent der Betriebe mit steigenden Erträgen rechnen. Die Einschätzung zu den Verkaufspreisen in den nächsten drei Monaten hat sich ebenso eingetrübt: Hier sank der Bewertungssaldo von + 59 auf + 52 Prozentpunkte. „Auch hier schlagen sich die enormen Preissteigerungen für Industrierohstoffe und Energie nieder“, so Salzer.
Verschlechtert haben sich zudem die Einschätzungen zu den aktuellen Auslandsaufträgen: Hier sank der Saldo von +71 im Vorquartal auf +47 Prozentpunkte. Nur mehr gut die Hälfte (55 statt 76 % im Vorquartal) aller befragten Betriebe bezeichnen ihre aktuellen Auslandsaufträge als „gut“, während knapp jedes zehnte Unternehmen (8%) die aktuellen Auslandsaufträge als „schlecht“ bezeichnete.
Rohstoffmangel hemmt Produktionstätigkeit
Deutlich eingetrübt hat sich auch die Einschätzungen der Betriebe zur Produktionstätigkeit in drei Monaten: Hier sank der Bewertungssaldo von +33 im zwei Quartal 2021 deutlich auf nunmehr +8 Prozentpunkte. Bei den Einschätzungen zur Produktionskapazität in drei Monaten sank der Bewertungssaldo ebenso von +39 auf +11 Prozentpunkte. Nur noch 16 Prozent der Betriebe rechnen mit einer steigenden Produktionskapazität bis Jahresende, während fünf Prozent mit einer niedrigeren Produktionskapazität rechnen.
Laut IV-NÖ-Präsident Salzer ist das zu einem großen Teil auf Engpässe bei Rohstoffen und Materialien zurückzuführen. „Im Automotive-Bereich führt der Chipmangel schon zu Produktionsrückgängen“, so Salzer. Einerseits seien die Lieferketten noch immer belastet durch die Corona-Pandemie, andererseits werde sich ein gewisser Rohstoffmangel in Europa aber nicht so schnell ändern lassen, wie Salzer erklärt: „Einen besonders großen Mangel gibt es bei Mikrochips, die mittlerweile in fast allen Geräten eingebaut sind – sogar schon in jedem Ladegerät. Deswegen ist hier der Bedarf enorm gestiegen und die Produktionsbetriebe konnten mit dieser schnelllebigen Entwicklung nicht mithalten.“ Hier habe auch die europäische Industriepolitik zu wenig strategisch reagiert.
Keine Entspannung beim Fachkräftemangel
Während im zweiten Quartal 2021 die Mehrheit der Betriebe (59 %) noch mit einem höheren Beschäftigtenstand in den nächsten drei Monaten rechnete, gilt das im dritten Quartal dieses Jahres nur noch für knapp jedes fünfte (18 %) Unternehmen. Insgesamt sank hier das Bewertungssaldo deutlich von +56 auf +14 Prozentpunkte. Der Großteil (79 %) der befragten Betriebe rechnet mit einem gleich bleibenden Beschäftigtenstand in drei Monaten. Somit ist auch beim aktuellen Fachkräftemangel noch keine Entspannung zu erwarten. „Gesucht werden vor allem Fachkräfte mit einer abgeschlossenen technischen Lehrausbildung, einem HTL-Abschluss sowie Absolventinnen und Absolventen eines technischen Studiums“, so Salzer.
Befragungsmethode der IV-NÖ-Konjunkturumfrage:
Bei der Befragung, die die IV-NÖ quartalsweise in Auftrag gibt, haben dieses Mal 32 Unternehmen mit insgesamt 14.177 Beschäftigten teilgenommen. Der Befragungszeitraum umfasste den 10. September bis 5. Oktober 2021.
Das Konjunkturbarometer ist der Mittelwert aus der Beurteilung der gegenwärtigen und zukünftigen Geschäftsentwicklung bei den befragten Unternehmen. Bei den Detailergebnissen der Konjunkturumfrage der IV kommt die folgende Methode zur Anendung: Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, danach wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet. Diese Werte werden auch für die grafische Darstellung der Ergebnisse herangezogen.
Pressefotos: IV-NÖ-Präsident Thomas Salzer: Link © Andi Bruckner
Grafiken und Datentabellen unter folgendem Link.