„Die Leitbetriebe sind die Zugpferde der niederösterreichischen Wirtschaft. Die Studie zeigt sehr deutlich, welch hohe Bedeutung diese Unternehmen für unseren Industriestandort haben“, sagt Thomas Salzer, Präsident der Industriellenvereinigung Niederösterreich (IV-NÖ). In der aktuellen Situation haben die Leitbetriebe besonders mit den Herausforderungen durch die hohen Energiepreise und Lieferengpässe zu kämpfen.
„Die Leitbetriebe sind Zentrum und Impulsgeber des Wohlstandes in unserer Gesellschaft. Von ihrer Wettbewerbsfähigkeit profitieren zahlreiche kleinere und mittlere Unternehmen, die als Zulieferer, Auftragnehmer sowie Kooperationspartner intensiv mit diesen Leitbetrieben zusammenarbeiten. Dementsprechend haben die Leitbetriebe auch eine tragende Rolle beim Weg aus der Krise“, erklärt Studienautor Herwig W. Schneider vom Industriewissenschaftlichen Institut (IWI).
Im Rahmen der Studie wurden vom IWI 31 Leitbetriebe in Niederösterreich definiert. Diese Unternehmen haben in der gesamten österreichischen Wirtschaft signifikante Hebelwirkungen, wie Schneider erklärt: „Ein Euro an Produktionswert dieser Leitbetriebe generiert 2,11 Euro an Produktionswert in ganz Österreich. Bei einem Euro Wertschöpfung entsteht eine gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung von 2,34 Euro. Und durch jedes Beschäftigungsverhältnis in diesen Leitbetrieben werden in Österreich insgesamt 2,46 Arbeitsplätze geschaffen.“
Die 31 vom Industriewissenschaftlichen Institut (IWI) definierten Leitbetriebe lösen einen gesamtwirtschaftlichen Produktionswert von 18,89 Milliarden Euro aus und generieren eine Wertschöpfung von 7,60 Milliarden Euro. „Außerdem ist in etwa jeder zehnte Wertschöpfungseuro im Bundesland Niederösterreich auf die Aktivitäten der Leitbetriebe zurückzuführen“, erklärt Studienautor Schneider.
Während die Anzahl der vom Industriewissenschaftlichen Institut (IWI) definierten Leitbetriebe seit der letzten Erhebung im Jahr 2019 von 27 auf 31 gestiegen ist, befindet sich die aktuelle Stimmung unter den niederösterreichischen Industriebetrieben jedoch auf Talfahrt, wie die Ergebnisse der jüngsten Konjunkturumfrage der IV-NÖ für das erste Quartal 2022 zeigen: Das IV-NÖ-Konjunkturbarometer, mit dem das Geschäftsklima als Mittelwert zwischen der Beurteilung der aktuellen und der Geschäftslage in sechs Monaten erfasst wird, ist im ersten Quartal 2022 von +25,5 auf -8,0 Punkte gesunken.
Roither: „Konjunkturaufschwung ist vorbei“
„Es ist deutlich zu erkennen, dass der von der Industrie getriebene Konjunkturaufschwung nun vorbei ist. Grund dafür sind das hohe Maß an geopolitischer Unsicherheit, das sich stark auf die Betriebe auswirkt“, so IV-NÖ-Geschäftsführerin Michaela Roither. Auf einem guten Niveau befinden sich aktuell noch die aktuellen Auftragsbestände sowie die aktuellen Auslandsaufträge. „Ob diese Aufträge auch tatsächlich abgearbeitet werden können, hängt jedoch von der Verfügbarkeit von Vormaterialien und Rohstoffen ab“, so Roither. Deutlich schlechter fallen die Einschätzungen zur Geschäftslage und der Ertragssituation in sechs Monaten aus. „Der Blick in das zweite Halbjahr ist erschreckend pessimistisch. Das ist naturgemäß auf die aktuell unkalkulierbare geopolitische und global-wirtschaftliche Lage zurückzuführen“, so Roither. Die Verkaufspreise der nächsten drei Monate halten sich weiterhin auf einem hohen Niveau. „Aufgrund der aktuellen Energie- und Rohstoffpreise sehen sich die Unternehmen gezwungen, die Verkaufspreise hoch anzusetzen – andernfalls könnten sich nicht verlustfrei produzieren.“
Verschlechtert haben sich zudem die Einschätzungen zum Beschäftigtenstand in drei Monaten: Der Bewertungssaldo sank hier von +15 Prozentpunkten im Vorquartal auf -1 Prozentpunkte – unterm Strich gibt es einen leichten Überhang unter den Betrieben, die mit einem sinkenden Personalstand rechnen. „Das liegt an der pessimistischen Einschätzung für die kommenden Monate, aber auch daran, dass der Fachkräftemangel nach wie vor dazu führt, dass viele Stellen gar nicht besetzt werden können“, erklärt dazu IV-NÖ-Präsident Salzer.
Salzer: „Hohe Preise für Energie und Rohstoffe als große Herausforderung“
„Konjunkturell liegt eine sehr schwierige Zeit vor der niederösterreichischen Industrie, mit vielen Unsicherheitsfaktoren für die Unternehmen. Dazu zählen der Krieg in der Ukraine, die gegen Russland verhängten Sanktionen sowie hohe Rohstoff- und Energiepreise und Probleme bei den Lieferketten. Dazu kommt aktuell noch der Lockdown in Shanghai, wo es große Staus vor den Containerhäfen gibt“, fasst Salzer die aktuelle Situation zusammen.
Aufgrund der hohen Energiepreise fordert die IV bereits seit Monaten eine Strompreiskompensation, wie es sie bereits in 12 EU-Mitgliedsstaaten gibt. „Derzeit hat Österreich hier einen hausgemachten Wettbewerbsnachteil“, so Salzer. Angesichts der hohen Inflation darf es keinesfalls neue Belastungen für Unternehmen geben. „Eine falsch umgesetzte Dekarbonisierung darf nicht zu einer Deindustrialisierung führen. Es ist schließlich niemandem geholfen, wenn Betriebe aufgrund hoher Umweltauflagen abwandern, die Arbeitsplätze in Österreich verloren gehen und die Umwelt in anderen Teilen der Erde stärker belastet wird“, erklärt Salzer. Zudem fordert die Industrie schon lange eine Beschleunigung bei Genehmigungsverfahren, um den Ausbau Erneuerbarer Energien voranzutreiben: „Mittlerweile sollte diese Dringlichkeit in der Politik angekommen sein – jetzt muss diese Beschleunigung auch tatsächlich umgesetzt werden“.
Liste der internationalen Leitbetriebe in Niederösterreich (IWI 2022)