Konjunkturumfrage

Industrie: Konjunktur stagniert auf niedrigem Niveau

IV-GS Neumayer: Konjunkturstärkung durch KöSt-Senkung, faire Ökologisierung mit Augenmaß – IV-Chefökonom Helmenstein: Konjunkturelle Durststrecke nicht vorüber

„Vor zwei Jahren erreichte die Industriekonjunktur in Österreich ihren Höhepunkt. Seitdem zeigte das Konjunkturbarometer der Industriellenvereinigung stetig nach unten“, erklärt Mag. Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), anlässlich der Vorstellung der Ergebnisse des IV-Konjunkturbarometers zum Jahresschlussquartal 2019. „Aktuell stehen wir vor einer längeren Phase unterdurchschnittlicher wirtschaftlicher Dynamik“, so Neumayer, der betont: „Umso mehr ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, die im Regierungsprogramm genannten Entlastungen ins Auge zu fassen und möglichst umzusetzen. Die Ergebnisse der jüngsten Regierungsklausur sind dabei sicherlich ein richtiger und wichtiger Schritt für die arbeitenden Menschen“, so Neumayer, der sich allerdings auch konkrete Schritte bei der Körperschaftsteuer erwartet hätte: „Es braucht eine Entlastung von Menschen UND Unternehmen – denn letztere sind es, die für sichere Arbeitsplätze, allgemeinen Wohlstand und soziale Sicherheit in unserem Land sorgen.“ So würde eine KöSt-Senkung auf die im Regierungsprogramm angekündigten 21 Prozent eine Investitionssteigerung um 3,2 Prozent bewirken, bei den ausländischen Direktinvestitionen wären es sogar um über 13 Prozent mehr – das sichere und schaffe Arbeitsplätze. „Es würden also beileibe nicht nur die Unternehmen als solche entlastet werden. Denn auch in Bezug auf Löhne und Gehälter würden über 2 Mio. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer direkt profitieren – denn jeder Euro KöSt-Senkung bewirkt eine Erhöhung der Bruttolöhne und
-gehälter um bis zu 0,75 Euro“, hält der IV-Generalsekretär fest, der überdies für eine „faire Ökologisierung mit Augenmaß“ plädiert: „Österreichs Industrie leistet seit vielen Jahren einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz und ist als Treiber für Innovation, Forschung und Technologie ein wichtiger Teil der Lösung bei der Bekämpfung des Klimawandels. Dieser Tatsache muss bei allen kommenden Maßnahmen Rechnung getragen werden.“

Durststrecke nicht vorüber, Rezession für 2020 aber wohl auszuschließen

Dazu ergänzend IV-Chefökonom Dr. Christian Helmenstein: „Die Durststrecke in der Industrie ist nicht vorüber. Aber nach Maßgabe unserer Indikatoren lässt sich eine Rezession in Österreich für dieses Jahr ausschließen.“ Nachsatz: „Sofern nicht neue Negativschocks wie eine Pandemie auftreten, Zölle gegen europäische Automobilexporte durch die USA verhängt werden oder der Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union am kommenden Wochenende prozedural missraten würde.“ Dass eine Rezession in Österreich vermieden werden konnte, hänge mit der erfolgreichen „kleinen Internationalisierung“ der heimischen Industrie wie auch des Finanzsektors in Richtung Zentral- und Osteuropa zusammen. „Über die engen wirtschaftlichen Verflechtungen mit dem betreffenden Raum importiert Österreich laufend konjunkturelle Impulse. Stabilisierend wirkt auch die Binnennachfrage infolge eines ganzen Faktorenbündels, darunter insbesondere der hohe Beschäftigtenstand, die deutlichen Reallohnzuwächse, die zurückgehende Sparquote und die steuerliche Entlastung der privaten Haushalte sowie anhaltend kräftige Wohnbauinvestitionen“, so Helmenstein.

Die Ergebnisse der IV-Konjunkturumfrage im Detail

Das IV-Konjunkturbarometer, welches als Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird, legt von einem niedrigen Niveau aus um exakt 10 Punkte auf 18,0 Punkte zu. Während der Saldo der aktuellen Geschäftslage einen Wert von +35 Punkten (nach zuvor +36) erreicht, steigt der Saldo der Geschäftserwartungen der Unternehmen auf Sicht der nächsten sechs Monate von ‑20 Punkten auf nunmehr +1 Punkt. Mit einem weiteren Verlust an konjunkturellem Momentum ist daher nicht mehr zu rechnen. Dabei verharrt der Anteil der Unternehmen mit optimistischen Geschäftserwartungen über die letzten fünf Termine hinweg sogar nahezu konstant bei 10 Prozent – so auch zu diesem Termin. Ursächlich für den Vorzeichenwechsel beim Konjunkturbarometer ist ausschließlich, dass sich der Anteil der Unternehmen mit einem dezidiert pessimistischen Geschäftsausblick binnen des letzten Quartals von 30 Prozent auf 9 Prozent in etwa gedrittelt hat.

Dazu dürfte neben der Stimmungsaufhellung wesentlich beitragen, dass sich die Gesamtauftragsbestände auf einem Niveau von +29 Punkten nach +28 Punkten stabilisieren konnten. Allerdings bildet sich die Komponente der Auslandsaufträge weiter von +24 Punkten auf nunmehr +21 Punkte zurück. Diese Entwicklung unterstreicht den Befund einer zwiegespaltenen Konjunkturentwicklung – während im international exponierten Teil der österreichischen Volkswirtschaft die saisonüblichen und zyklusdurchschnittlichen Niveaus in dieser Abschwungphase immer deutlicher unterschritten werden, spürt der inlandsorientierte Teil der heimischen Wirtschaft die Auftragsschwäche kaum.

Mit dem sich stabilisierenden Auftragsbestand im Hintergrund beabsichtigen die Unternehmen, ihre Produktionstätigkeit bei einem saisonbereinigten Wert von +7 Punkten (nach einem Saldo von +2 Punkten) leicht zu erhöhen. Allerdings ist diese Ausweitung noch nicht konjunkturell bedingt, sondern im Wesentlichen auf die infolge der Investitionstätigkeit der letzten Jahre inzwischen zugewachsene zusätzliche Produktionskapazität zurückzuführen, die einer verbesserten Auslastung bedarf.

Im Einklang mit der sich stabilisierenden Geschäftserwartung flaut aus Unternehmenssicht das Risiko eines nicht konjunkturkonformen, das heißt zu hohen, Beschäftigtenstandes leicht ab. Gegenüber dem Vortermin nimmt der Saldo auf -6 Punkte leicht zu, bleibt jedoch in negativem Terrain, sodass der Beschäftigungsabbau in der österreichischen Industrie noch nicht zu Ende ist. Zwar ist eine gewisse Einstellungsneigung bei einem Teil der Respondenten nach wie vor vorhanden – 10 Prozent der Unternehmen planen einen weiteren Beschäftigungsaufbau –, aber jedes sechste Unternehmen sieht sich mit der Notwendigkeit eines Beschäftigungsabbaus konfrontiert. Während der ausgeprägte Fachkräftemangel als struktureller Faktor somit einerseits eine nach wie vor beträchtliche Anzahl unbesetzter Stellen in den Industrieunternehmen hervorruft, sollte dem konjunkturell bedingten Arbeitsplatzabbau begegnet werden, indem die intersektorale, interregionale und interprofessionelle Mobilität der Beschäftigten gefördert wird, um eine Verfestigung von Arbeitslosigkeit zu vermeiden.

Das international schwächere konjunkturelle Umfeld führt zu einem hohen Preisdruck auf den Absatzmärkten. Im Ergebnis rechnen die Unternehmen mit weiterhin sinkenden Verkaufspreisen, wenngleich sich auch hier der Indikator von ‑17 Punkten auf ‑9 Punkte verbessert. Jedes fünfte Unternehmen sieht auch in den kommenden Monaten keine Möglichkeit, zunehmende Kostenbelastungen zu überwälzen, sondern ist gezwungen, solche gewinnmindernd selbst zu tragen.

Dementsprechend verschlechtert sich die aktuelle Ertragslage abermals, und zwar von dem schon bescheidenen Niveau von +15 Punkten weiter auf +10 Punkte. Im Gegensatz dazu reflektieren die Ertragserwartungen die Stimmungsaufhellung in der österreichischen Industrie, nachdem sie zuvor sieben Mal in Folge zurückgegangen waren. Eine positive Ertragsdynamik ist allerdings nicht in Sicht, denn bei einem Saldo von ‑2 Punkten nach zuvor ‑14 Punkten verharren sie weiterhin in leicht negativem Terrain.

Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode

An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 387 Unternehmen mit rund 275.000 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.

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