Herr Kitzler, Sie haben mit Jänner die Aufgaben von Gerald Hummer übernommen. Wie geht es Ihnen?
Wolfgang Kitzler: Mir geht es sehr gut, vielen Dank. Natürlich ist es eine etwas hektische Zeit, wie das so ist in einer neuen Funktion in einem so großen Industriebetrieb. Ich hatte aber das Glück, dass ich mit Gerald bereits die vergangenen zweieinhalb Jahre eng zusammenarbeiten konnte und ich einen guten Einblick bekommen habe.
Außerdem war und ist die Constantia Teich ein gut geführter Betrieb und ich kann auf sehr kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bauen, die einen unterstützen. Die Arbeit macht Spaß und ich freue mich, Constantia Teich erfolgreich in die Zukunft zu führen.
Herr Hummer, wie geht es Ihnen?
Gerald Hummer: Mir geht es gut, weil ich glaube sagen zu können, ein gutes Werk übergeben zu haben. Es ist immer angenehm, wenn man in einer Situation aus dem Unternehmen ausscheidet, die positiv ist und man keine - landläufig gesagt - Baustelle hinterlässt. Außerdem habe ich nun die Möglichkeit, eine Reihe von privaten Projekten anzugehen, die ich bisher hinausgeschoben habe.
Eine Frage an beide Herren: Wie läuft die Staffelübergabe?
Hummer: Die Staffelübergabe ist für mich praktisch beendet. Jetzt geht es eigentlich nur darum, die andere Arbeitsweise seitens Wolfgang einzuführen.
„Die andere Arbeitsweise“: Inwieweit wird man den Wechsel an der Spitze im Daily Business spüren?
Kitzler: Jeder hat seinen eigenen Führungsstil, das bringt Veränderungen mit sich. In der strategischen Ausrichtung des Unternehmens waren Gerald und ich uns immer sehr ähnlich. Auch vom Kern her sind wir sehr ähnlich gestrickt, etwa was das Wertekostüm anbelangt. Aber natürlich werde ich einen anderen Führungsstil haben. Ich bin sehr gerne sehr nah an den MitarbeiternInnen und habe einen inklusiven Managementstil.
Kommen wir zum Geschäft: Wie ist das letzte Jahr 2022 gelaufen?
Hummer: Wir haben mit 2022 doch ein schwierigeres Jahr gehabt, zumindest am Beginn. Ab 2020/2021 waren wir mit laufenden Kostensteigerungen im Energiebereich und Material-Preissteigerungen aufgrund der Supply-Chain-Unterbrechungen konfrontiert. Aus diesem Grund haben wir 2022 gestartet, mit großen Anstrengungen die Kunden davon zu überzeugen, dass wir nicht auf diesen Kostensteigerungen sitzen bleiben können. Das ist uns relativ gut gelungen, sodass wir mit einem durchaus guten Ergebnis abschließen konnten.
Wie läuft aktuell das Geschäft bei Constantia Teich?
Kitzler: Der Anfang des heurigen Jahres war davon gekennzeichnet, dass wir in der Nachfrage eine gewisse Reduktion feststellen mussten. Grund dafür war wohl, dass die Lagerbestände bei unseren Kunden größer waren als ursprünglich angenommen. Die Angst unserer Kunden, Material nicht zeitgerecht zu bekommen hat wohl zu sogenannten Hamsterkäufen geführt. Da gibt es jetzt eine kleine Delle, aber wir sind dennoch sehr zuversichtlich, dass es wieder ein gutes und erfolgreiches Jahr für Constantia Teich sein wird.
Ein großes Investitionsprogramm wurde bereits im Herbst verkündet: Mehr als 80 Mio. Euro werden in ein neues Walzwerk und eine weitere Lackieranlage investiert. Können Sie mir etwas zu dem Projekt erzählen und warum es für das Unternehmen wichtig ist?
Kitzler: Die neue Lackier- und Kaschieranlage befindet sich bereits in der Startphase, hier sind wir schon in Richtung Abschluss und Go-Live unterwegs. Das zweite wichtige Großprojekt, das ins Haus steht, ist die Walzwerk-Erweiterung. Dabei investieren wir nicht nur in ein neues Walzgerüst, sondern auch in Nebenaggregate, eine Trennmaschine, Glühöfen und Intralogistik. Hier befinden wir uns gerade in der Planung der Bauphase, die diesen Sommer starten wird.
Hummer: Die große neue Lackier- und Kaschieranlage ist in erster Linie darauf ausgerichtet, Verpackungsmaterialien für Produkte zu erzeugen, wo wir Wachstumspotenziale für die Zukunft sehen. Das sind Produkte, mit besonders gut rezyklierfähigen Mono-Alu-Materialien.
Das neue Walzwerk soll die eigene konzerninterne Versorgung der Constantia Flexibles-Gruppe sicherstellen. Da hat sich in den letzten Jahren doch eine Änderung in der Ausrichtung ergeben. Vor zehn Jahren waren wir noch eher der Meinung: Warten wir die Entwicklung ab, bevor wir investieren. Denn Aluminium-Walzwerke im asiatischen Raum produzieren enorme Mengen zu günstigsten Preisen. Diese Sichtweise hat sich geändert, da wir gesehen haben, dass der Transport von Aluminium oder Aluminiumfolie vom anderen Ende der Welt sowohl kostenmäßig als auch ökologisch nicht unbedingt das Wahre ist. Außerdem ist der Bedarf an Aluminiumfolie enorm gestiegen bzw. wird durch die Elektromobilität weiter steigen.
Was ist das komplexeste Produkt aus dem Haus Constantia Teich?
Kitzler: Das Becherverschlusssystem ComforLid ist eines unserer komplexesten Verpackungslösungen. Der Deckel – in der Fachsprache die Platine - ist zweilagig und besteht aus einer bedruckten Aluminiumschicht außen und einer Coextrusions-Kunststoffschicht innen. Der Konsument zieht die Aluminiumschicht ab und es bleibt die dünne, unbedruckte, optisch satiniert wirkende Kunststoffschicht mit präziser positionierter Trinköffnung am Becher. Die Trinköffnungen können dank Lasertechnologie beliebig ausgeführt werden. Bis das Produkt so weit ist, sind viele Veredelungsschritte vom Walzen, Extrudieren, Drucken, Stanzen und Lasern notwendig. Durch die Möglichkeit der individuellen Öffnungsformen ist ein vielseitiger Einsatzbereich gegeben - sei es für Trinkjoghurt, Softgetränke, Käsebällchen mit sauberer trockener Abgießfunktion der Salzlake, Kaugummi, Schokokugeln, Tabletten und sonstigen Stückgut.
Hummer: Das Produkt bietet eine hygienisch saubere und geschützte Trinköffnung, ist trendig, ein klassisches „to-go“ Produkt im Auto, Bahn oder Flugverkehr und kommt nachhaltig mit Reduktion bzw. Vermeidung eines Kunststoff-Stülpdeckels aus. Constantia Teich ist nicht nur das einzige Unternehmen, das dieses Produkt zur Zeit herstellen kann, sondern unterstreicht mit dieser global bereits verbreiteten Inhouse Push Innovation seine weltweite Marktführerschaft im Platinen Lidding bzw. Deckelbereich.
Sie gehören auch zu den energieintensiven Produktionsbetrieben. Inwieweit litten und leiden Sie unter den hohen Energiepreisen?
Kitzler: Es ist ein gegenwärtiges Thema in der Industrie, nicht nur für Constantia Flexibles oder Constantia Teich. Es ist eine große Herausforderung über die Branche hinweg. Wir haben uns auf die Bewältigung dieser Herausforderung konzentriert. Beispielsweise sind wir im ständigen Dialog mit unseren Kunden, aber wir analysieren auch alternative Konzepte hinsichtlich Versorgungskontext. Wir überprüfen und reduzieren den internen Demand und versuchen so, der Problematik zu begegnen.
Hummer: Wenn man heute die Frage stellt: Sind die Preise zu hoch oder zu niedrig? Dann ist das nicht die entscheidende Frage. Die entscheidende Frage ist: Sind wir mit diesen Preisen wettbewerbsfähig? Wenn die anderen genauso hohe Preise haben, dann wird die Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleiben. Wenn andere Mitbewerber wesentlich günstigere Konditionen haben, dann schaut es anders aus. Das gilt aber nicht nur für die Energie, sondern generell.
Kitzler: Wir müssen daher natürlich über den Tellerrand Österreichs schauen. Gerade auch in Niederösterreich ist eine große Herausforderung für den Standort, dass die Betriebe, die oft Leitbetriebe Österreichs und international tätig sind, wettbewerbsfähig bleiben. Wir brauchen eine transparente, allumfassende Energiepolitik in Europa. Das ist entscheidend und das gibt uns dann wieder mehr Sicherheit, auch im Dialog mit unseren Kunden.
Welche Maßnahmen wurden gesetzt bzw. sind in Planung, um dieser Problematik zu begegnen?
Hummer: Wir sind ein energieintensives Unternehmen und jede zehn Prozent Energie, die wir einsparen können, bringen enorm viel. Wir beschäftigen uns daher nicht erst seit der jüngsten Energiepreiskrise damit und setzten schon bisher immer wieder Projekte für Effizienzsteigerungen um.
Kitzler: Wir haben zum Beispiel 2022 begonnen, noch mehr Transparenz zu schaffen. Wir haben nun ein Energie-Monitoring über die ganze Produktion. Uns ist jetzt möglich, auf die einzelnen Maschinen runterzubrechen, wo wie viel Stromverbrauch stattfindet. Das ist nicht nur für Strom, sondern auch für Lösemittel und Gas möglich.
Wir clustern das dann in einzelne Bereiche und gehen in die Detailanalyse, um festzustellen, warum mehr/weniger Verbrauch stattfand. Derzeit sind wir in der Aufbereitung, dass wir das in Zukunft sogar auf Produktgruppen runterbrechen können. Das ist wichtig, denn dann verstehen wir die Unterschiede für jedes Produkt. Das macht es für uns einfacher, unseren Energieverbrauch für die einzelnen Produkte zu verstehen, Vergleichbarkeit zu schaffen und dann an den Stellschrauben zu drehen.
Außerdem haben wir mit der Installation von Photovoltaik begonnen. Das Dach einer großen Halle wurde bereits damit ausgestattet, das wird in Zukunft weiter fortgesetzt. Auch weitere alternative Energieträger sind nach wie vor auf unserer Liste. Aber es gibt halt nicht die eine Lösung. Es wird verschiedener Lösungen bedürfen.
Ein weiteres großes Thema in der Industrie ist der Arbeitskräftemangel. Haben Sie genug Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Kitzler: Wir haben dieselben Probleme wie die anderen Betriebe auch. Fachkräfte sind dieser Tage teilweise schwer zu finden, aus verschiedensten Gründen. Es haben sich bei den Arbeitssuchenden teilweise die Ansprüche verändert und es liegt an uns, Anreize zu schaffen, um hier die gesuchten Arbeitskräfte an Bord zu bringen.
Constantia Teich ist nicht nur das einzige Aluminiumfolienwalzwerk Österreichs, sondern es zählt in Europa zu den Walzwerken mit dem höchsten Digitalisierungsgrad bei der Produktion. Welche großen Vorteile bringt das?
Hummer: Wir haben einen Digitalisierungsstand der sicherlich State-of-the-Art ist. Aber ich muss dazu schon sagen, diesen Digitalisierungs- bzw. Automatisierungstand gibt es auch in Asien. Asiatische Walzwerke egal ob in China oder in Japan haben das Beste vom Besten. Der wesentliche Wettbewerbsvorteil bei uns ist, dass wir ein jahrzehntelanges Knowhow aufgebaut haben, und alles in Effizienz- und Qualitätsverbesserung investiert haben. Das Know-how in Kombination mit Automatisierung und Digitalisierung verschafft uns den Wettbewerbsvorteil .
Das ist auch der Grund, warum wir hier in Mühlhofen investieren. Wenn es nur um die Digitalisierung ginge, also rein die Technik, dann hätten wir eigentlich ein Walzwerk in China aufbauen müssen. Dort ist die Energie billiger, die Umweltansprüche sind geringer, die Arbeitskräfte sind billiger.
Welche drei grundlegenden Dinge würden Sie am Standort NÖ ändern, wenn Sie könnten?
Hummer: Ich würde die Politik bitten, die Verkehrsinfrastruktur im Auge zu behalten beziehungsweise der Zukunft anzupassen. Wir verarbeiten momentan grob gesagt 70.000 Tonnen Aluminium plus entsprechend andere Materialien. Wir werden mit dem Ausbau des Walzwerks rund 90.000 Tonnen Aluminium verarbeiten. Das heißt eine Steigerung von rund 30 Prozent. Da ist auch die Politik gefordert, sich zu überlegen, wie die Infrastruktur zeitgemäß zu gestalten ist.
Das zweite Thema ist der Energieausbau. Wenn wir heute eine Anfrage stellen, dass wir investieren wollen und dadurch einen höheren Stromverbrauch haben, dann bekommen wir die Aussage, dass das Netz nicht geeignet ist für eine weitere Steigerung. Wenn ich jetzt noch berücksichtige, dass in Zukunft noch viel mehr Elektroautos durch die Gegend fahren, dann muss ich schon sagen, da ist eine massive Verbesserung notwendig. Ansonsten wird die Vision, dass wir in Zukunft nur mehr alles mit Strom machen und kein Gas mehr brauchen, zunichte gemacht. Es dauert sehr lange, bis man eine Infrastruktur aufgebaut hat, wir müssen morgen beginnen!
Das Dritte ist die Mobilität für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, konkret der Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln. Ja, es gibt eine Verbesserung des Fahrplans der Mariazellerbahn, die von St. Pölten über das Pielachtal nach Mariazell führt. Aber das ist aus meiner Sicht ein bisschen zu wenig, da sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter doch einen etwas anderen Komfort vorstellen. Der Bahnhof ist halt nicht auf dem Firmengelände und damit sind wir beim Thema: Das erste und letzte Stück - wie überwindet man das am besten? Und das gehört von der Politik noch einmal gründlich durchdacht und gefördert.
Herr Kitzler - Energiekrise, Energiewende, Inflation, Ukraine-Krieg, Lieferketten-Probleme: Sie sind in sehr stürmischen Zeiten an die Spitze eines großen Unternehmens getreten. Da hat man nicht die berühmten 100 Tage Zeit, um sich einzuarbeiten, sondern ist gleich mittendrin…
Kitzler: Man macht das nicht, wenn man Herausforderungen scheut, würde ich sagen. Ich habe eine Zeit lang in Südafrika verbracht, wo ich die Geschäftsführung eines Constantia-Teil-Konzerns inne hatte. Dort habe ich viel gelernt, weil ich schon damals mit Themen konfrontiert war, die jetzt in Österreich präsent sind. In Südafrika ist zum Beispiel Inflation etwas Allgegenwärtiges. Jedes Jahr gibt es eine Inflation von sechs, sieben, acht Prozent, dazu noch die unterschiedlichsten Krisen. Das hat einen resilienter gemacht und abgehärtet.
Hummer: Ich habe in 40 Jahren und mehr fast nichts gehabt, was es nicht gab. Aber die letzten Jahre waren schon wieder etwas Neues, etwas nie Dagewesenes. Das galt vor allem auch für die Intensität und die Geschwindigkeit, wo man in Situationen sehr schnell reagieren musste. Aber wir haben es gut gemeistert.
Haben Sie einen Leitspruch für Ihre Führungstätigkeit?
Kitzler: Ich sage immer: Alleine ist man stark, gemeinsam unschlagbar.
Herr Hummer, Sie blicken auf viele Jahre reich an Arbeitserfahrung zurück: Was war Ihre wichtigste Erkenntnis als Führungskraft?
Hummer: Triff Entscheidungen, wenn sie notwendig sind. Kümmere dich nicht um etwas, was eigentlich erst in zwei Wochen zu entscheiden ist. Denk darüber nach, aber werde nicht nervös. Und: Stehe zu dem, was entschieden worden ist beziehungsweise was du gesagt hast. Verlässlichkeit ist enorm viel wert für MitarbeiterInnen.
Und wie geht es Ihnen mit Blick auf die neue Freizeit?
Hummer: Ich bin eigentlich schon seit dem 22. Februar im Urlaub. Das ist ja schon so ähnlich wie Pension, aber ich lebe immer noch ein bisschen mit dem, was im Unternehmen passiert. Ab 1. August fängt für mich ein neues Kapitel an.
Aber ich verspüre de facto fast keine Änderung. Ich habe praktisch noch keinen Tag gehabt, wo ich gesagt habe: Jetzt schauen wir mal, was passiert. Es ist alles verplant. Ich habe jetzt ziemlich genau 50 Jahre - vom 15. bis zum 65. Lebensjahr - gelernt, gearbeitet und geplant. Das geht jetzt genauso weiter. Vielleicht ist das in zwei, drei Jahren anders, wer weiß.