Frage: Wir gratulieren zur Wahl zum Präsidenten der IV-NÖ. Was hat Sie motiviert, sich für diese Funktion zur Verfügung zu stellen?
Kari Ochsner: Wir befinden uns in schwierigen Zeiten. Momentan sehen wir einen Angriff auf die Wettbewerbsfähigkeit unseres Industriestandorts Niederösterreich und Österreich, der seinesgleichen sucht. Ich bin überzeugt, dass es gerade jetzt wirklich jeden Einzelnen und jede Einzelne braucht, um für die Interessen und den Standort Niederösterreich zu kämpfen. Ich möchte meinen Beitrag leisten und aktiv mitwirken, damit unsere Industrie gestärkt aus dieser Rezession hervorgeht.
Wie werden Sie Ihr Amt anlegen?
Mein Motto lautet: „Niederösterreich: Starker Industriestandort statt Industrie stand dort!“ Als Präsident der IV-NÖ sehe ich meine Hauptaufgabe darin, die Interessen unserer Industriebetriebe und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestmöglich zu vertreten. Ich bin außerdem überzeugt, dass der Präsident nicht allein agieren kann und soll. Wir als IV-NÖ sind eine starke Gemeinschaft mit einem motivierten Präsidium und einem effizienten Vorstand. Ich lade außerdem alle Mitglieder der IV-NÖ ein, sich aktiv einzubringen, denn wir alle sind wichtig. Die Anliegen der Industrie können nur erfolgreich vertreten werden, wenn wir alle zusammenarbeiten und an einem Strang ziehen.
Sie haben eine Vorstandsklausur angekündigt – was wird dort passieren?
Ochsner: Diese wird im ersten Quartal 2024 stattfinden. Wir werden dort ein gemeinsames Arbeitsprogramm für die nächsten Jahre entwickeln und jene Themen festlegen, die für unser Bundesland wichtig sind und in denen wir Akzente setzen wollen.
Ohne die Ergebnisse der Klausur vorwegzunehmen, aber welche Themenfelder erachten Sie als besonders dringlich?
Niederösterreich hat im Vergleich zu den restlichen Bundesländern Österreichs einen höheren Anteil an energieintensiver Industrie. Aufgrund der immer noch zu hohen Energiekosten stehen diese Betriebe am internationalen Markt besonders unter Druck. Nicht nur deshalb braucht es hier rasch weitere Maßnahmen, um die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Betriebe zu stärken und die Arbeitsplätze zu sichern. Des Weiteren sind die im internationalen Vergleich viel höheren Lohnabschlüsse hierzulande, überbordende Belastungen durch Bürokratie, die zu hohe Abgabenlast, der immer stärker werdende Fach- und Arbeitskräftemangel und der Mangel an Leistungsorientierung und Eigenverantwortung, der mir in unserer Gesellschaft immer mehr auffällt, einige weitere Faktoren, die unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit bedrohen. Auch in diesen Bereichen müssen Strategien und Reformen erarbeitet werden, um den Standort international wieder zu stärken. Wenn die ganze Welt die gleichen Ansprüche an den Sozialstaat, an Arbeitszeiten oder an Pensionen stellen würde, dann wäre alles viel einfacher. Aber nachdem die Uhren überall anders ticken und die sozialen und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen variieren, ist die Sicherung unserer Wettbewerbsposition hier in Niederösterreich und in Österreich eine zunehmende Herausforderung, um Betriebe und Arbeitsplätze im Land halten zu können.
Ihr Amtsantritt fiel in die heiße Phase der Metaller-KV-Verhandlungen mit Streiks in mehreren Industrieunternehmen. Wie sehen Sie die Situation?
Wir Unternehmerinnen und Unternehmer schätzen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr und verstehen ihre Sorgen. Niemand sagt, dass es keine Lohnerhöhungen geben soll. Aber man kann nicht verlangen, dass Arbeitgeber und Unternehmen die Inflation allein stemmen. Wie gesagt, die Industrie hierzulande produziert für den Weltmarkt und wir müssen daher Sorge tragen, dass unser Standort konkurrenzfähig bleibt. Wenn sich Unternehmen Erhöhungen nicht leisten können, müssen sie Kosten reduzieren, indem sie Arbeitsplätze abbauen oder an Standorte im Ausland verlagern und Investitionen verschieben. Das will keiner, es sind aber direkte Folgen davon. Wir wollen Arbeitsplätze aufbauen statt abbauen.
Welche langfristigen Herausforderungen stehen in den vier Jahren ihrer ersten Amtsperiode im Fokus?
Unser Hauptthema ist schlicht und einfach der Erhalt der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts- und Industriestandorts Niederösterreich und Österreich. Das ist ein „Dauer-Roter-Faden“, der sich sicher über meine Amtszeit und die Amtszeit meiner Nachfolger ziehen wird. Ein weiteres wichtiges Thema, das uns lange begleiten wird, ist die „Green Transition“ im Zusammenhang mit der Energiewende. Ich plädiere dabei für Klimaschutz mit Hausverstand – das bedeutet, dass es notwendig ist, die Dekarbonisierung so zu gestalten, dass sie für alle Beteiligten tragbar ist und nicht zu einer schleichenden Deindustrialisierung führt. Ein solcher negativer Verlauf hätte nicht nur einen Verlust des Wohlstands zur Folge, sondern könnte auch den sozialen Frieden gefährden. Dann würde niemand mehr hinter dem Projekt Klimaschutz stehen, denn wir hätten andere Sorgen. Es ist daher entscheidend, dass alle Mitglieder der Gesellschaft an diesem wichtigen Wandel beteiligt sind und verstehen, dass eine ausgewogene Umsetzung notwendig ist, um erfolgreich zu sein.
Sie fordern die Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters …
Das ist richtig, denn die Realität ist, dass wir alle fitter und älter werden. Es muss für die Menschen attraktiver werden, länger zu arbeiten, anstatt sich früher zurückzuziehen. Auch in meinem Unternehmen gilt das Motto: „Performance has no age.“
Die Vereinbarkeit von Familie und Karriere beeinflusst bei vielen Frauen maßgeblich ihre beruflichen Entscheidungen. Wie sehen Sie die Herausforderungen und Chancen in diesem Zusammenhang?
Frauen in Managementpositionen sind ein klarer Wettbewerbsvorteil, den wir unbedingt nützen und ausschöpfen müssen. Dafür braucht es aber auch gute Rahmenbedingungen. Zentral ist etwa die Schaffung flexibler Arbeitsmodelle, die es Frauen ermöglichen, Familie und Karriere zu vereinbaren. Dazu ist eine Sensibilisierung von Arbeitgebern und die Förderung einer Unternehmenskultur, die Diversität und Gleichberechtigung fördert, wichtig. Zudem erachte ich es als absolut notwendig, den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen weiter voranzutreiben, um Frauen eine größere Unabhängigkeit in ihren beruflichen Entscheidungen zu ermöglichen.
Wie ist Ihre Einstellung zur EU?
Von meiner Seite kommt ein klares Bekenntnis zur EU – ohne alles, was aus Brüssel kommt, zu unterstützen. So lehne ich zum Beispiel überflüssige bürokratische Maßnahmen oder „Gold Plating“ – also die Übererfüllung von EU-Mindeststandards – entschieden ab. Wir sollten uns auf effiziente, praxisnahe Regelungen und den Abbau regulatorischer Belastungen konzentrieren; auch, um Europa wieder attraktiv für Investitionen zu machen. Als sehr wichtig erachte ich außerdem internationale Handelspartnerschaften. Diese spielen nicht nur eine entscheidende Rolle für wirtschaftlichen Erfolg, sondern sie sichern vor allem auch den Frieden. Ein aktuelles Beispiel ist das Wiederaufleben des Handelsdialogs zwischen China und den USA, der nicht nur wirtschaftliche, sondern auch friedensstiftende Dimensionen hat. In meinen Augen ist eine stabile Wirtschaft grundlegend für den Frieden, und gerade in Zeiten, in denen wir mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert sind, ist eine starke internationale Zusammenarbeit essenziell.
Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit der Politik?
Die Zusammenarbeit mit der Politik spielt natürlich eine wesentliche Rolle, um die Interessen der Industrie erfolgreich zu vertreten und positive Veränderungen zu bewirken. Ich werde die bewährte und konstruktive Zusammenarbeit der IV-NÖ mit den politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern fortführen, um gemeinsam an Lösungen für die Herausforderungen unserer Industrie zu arbeiten. Wir müssen partnerschaftlich zusammenarbeiten, um den Standort Niederösterreich zu stärken und langfristige Erfolge zu erzielen.
Was ist Ihre Vision für den Wirtschafts- und Industriestandort Niederösterreich?
Der Standort Niederösterreich soll sich auch weiterentwickeln und als attraktiver Ort für Unternehmen aus anderen Bundesländern und aus anderen EU- und Nicht-EU-Staaten wahrgenommen werden. Es soll hier im Land erfolgreich produziert, es sollen Arbeitsplätze geschaffen, Unternehmen angezogen werden und der Wohlstand und die Lebensqualität für die Menschen gesichert bleiben.