Robert Schmid, Eigentümer der Schmid Industrieholding mit Baumit als führendem Unternehmen, spricht im Interview über Herausforderungen und Chancen in der Baubranche, nachhaltige Praktiken und seinen Weg, das Familienunternehmen erfolgreich in einer sich wandelnden Industrielandschaft zu leiten.
Die Industrie durchlebt gerade eine rezessive Phase. Inwieweit spüren Sie die Auswirkungen und wie gehen Sie damit um?
Schmid: Der Bau, insbesondere der Neubau, ist derzeit in einer extrem schwierigen Situation. Nach dem Boom der vergangenen Jahre zwar nicht verwunderlich, aber es ist halt schmerzlich, wenn nach einem steilen Aufstieg plötzlich und unerwartet der tiefe Fall kommt. Ich glaube aber, dass dies nur kurzfristig sein wird, da die durchaus sinnvollen Gründe (ein Eigenkapitalanteil und Zinsen) in Wahrheit ganz normal sind, die Menschen sich jedoch entwöhnt haben. Nach einer gewissen Gewöhnungsphase glaube ich schon, dass die Menschen wieder zu bauen beginnen werden.
Unverständlicher ist für mich, dass alle möglichen Menschen ständig über den Klimawandel und Maßnahmen gegen den Klimawandel reden, jedoch auf der anderen Seite das Thema thermische Sanierung, also das Dämmen von Gebäuden, ganz und gar keinen Boom erlebt. Das ist nämlich die einzige Maßnahme, die wirklich substanzielle Energieeinsparungen und Klimaverbesserungen bringt und gleichzeitig die Wohnqualität massiv erhöht.
Welche Erwartungen haben Sie an das Jahr 2024?
Schmid: Schaut traurig aus…
Wo sehen Sie Herausforderungen und Chancen für 2024?
Schmid: Das notwendige Saubermachen in den politischen Parteien ist Herausforderung und Chance in einem!
Die Globalisierung hat viele Branchen geöffnet. Wie navigiert Baumit durch die internationalen Märkte und welche Herausforderungen sind damit verbunden – insgesamt und aktuell ganz besonders?
Schmid: Baumit ist eine europäische Unternehmensgruppe. Natürlich gibt es auch im „kleinen“ Europa sehr unterschiedliche politische Herausforderungen, Kulturen und Denkweisen. Da versuchen wir uns darauf einzustellen, anzupassen und entsprechend zu bewegen.
Baumit ist in 24 Ländern vertreten. Welche Länder sind Ihre Hoffnungsmärkte?
Schmid: Alle unsere Länder sind Hoffnungsmärkte. Am stärksten sind wir natürlich noch immer in Österreich, aber ich stelle mir immer vor, dass wir doch in jedem europäischen Land im Verhältnis zur Einwohnerzahl genauso stark sein könnten wie hier bei uns zuhause. Das brächte ein unglaubliches Umsatzwachstumspotential mit sich!
Baumit ist bekannt dafür, dass großen Wert auf Nachhaltigkeit gelegt wird. Könnten Sie Beispiele nennen, mit denen zur Reduzierung der Umweltauswirkungen in der Baustoffindustrie beigetragen wird?
Schmid: Als Familienunternehmen sind wir eigentlich schon immer (unbewusst) nachhaltig gewesen. Wir leben von und mit Rohstoffen, mit denen wir sparsam umgehen müssen; wir haben Mitarbeiter, die möglichst lange bei uns sein sollen und Teil der Familie sind; wir haben Nachbarn, mit denen wir gut leben wollen; und letztlich müssen wir Geld verdienen, um uns das alles leisten zu können. Im Umweltbereich haben wir moderne Produktionen und unsere Fabriken stehen nahe bei den Baustellen. Das bedeutet möglichst wenig Umweltbelastung bei Produktion und Transport.
Gab es einen bestimmten Anstoß, der dazu geführt hat, dass Baumit sich im Bereich Nachhaltigkeit so stark engagiert?
Schmid: Wie gesagt, wir wussten früher nichts mit dem Begriff Nachhaltigkeit anzufangen, aber wir haben immer so agiert. Das plötzliche Modernwerden von Nachhaltigkeit hat uns die Chance gebracht, uns nach dem Motto „Tue Gutes und rede darüber.“ auch öffentlich zu präsentieren.
Welche Rolle spielen Innovationen?
Schmid: Unser Leitspruch heißt „Ideen mit Zukunft“. Am Bau geht Innovation zwar nur sehr langsam, aber wir sind seit Jahrzehnten bemüht, unseren Kunden immer wieder Neues zu bieten und die Baustellen und das Bauen besser und moderner zu machen.
Der Fachkräftemangel ist in vielen Branchen spürbar. Wie geht es Baumit – haben Sie genug Personal oder suchen Sie?
Schmid: Mitarbeitermangel ist ein ganz ein großes Thema. Wir haben schon vor vielen Jahren versucht, über die Ausbildung junger Leute dieses Thema für uns selbst zu lösen. Heute haben wir eine ganz tolle Lehrwerkstätte mit einem super Team und eigentlich immer mehr Nachfrage nach Lehrstellen, als wir anbieten können.
Nichtsdestotrotz nutzt uns das wenig auf der Baustelle, wo unsere Produkte verarbeitet werden. Hier ist die Branche, also das ausführende Gewerbe, aufgerufen, den Job des „Bauhacklers“ in der Anmutung der jungen Menschen zu dem zu machen, was er eigentlich sein sollte - nämlich ein interessanter, variantenreicher, herausfordernder und letztlich Glück bringender Beruf, da man ja gerade bei Bauwerken immer das Ergebnis am Ende sieht und somit auch ein persönliches Erfolgserlebnis haben kann.
Sie sagen, dass die größte Behinderung und Gefahr für unsere Wirtschaft die Bürokratie ist…
Schmid: Die Wirtschaftsorganisationen haben vor der Wirtschaftskrise 2008/2009 versucht, Bürokratie abzubauen. Leider ist dann Corona gekommen und es wurde fast nichts abgebaut. In der Zwischenzeit jedoch, in diesen wenigen Jahren, sind Unmengen von neuen Regelungen wieder dazugekommen; im steuerlichen Bereich Reportings, Dokumentationen, Förderungen, die immer komplizierter werden; Lohnabrechnungen, die sich nahe der Atomwissenschaft bewegen; ewige Betriebsprüfungen; widersprüchliche Rechtsgrundlagen etc. etc. Die Verwaltung verlangt Meldungen an Nationalbank, Statistik Austria etc. ohne Ende.
Die Beantragung und Abwicklung von diversen Projekten im Zusammenhang mit dem Staat sind meist komplizierter als der Nutzen. Datenschutzverordnungen, Whistleblower-Richtlinien, Wirtschaftliche Eigentümer-Register, Bankenauskünfte, Kartellrecht und noch vieles andere machen das Unternehmensleben schon sehr hart und extremst unproduktiv. Kontrollore kontrollieren andere Kontrollore und Berater beraten andere Berater, das ist nicht produktiv! Wertschöpfung entsteht nur, wenn etwas entsteht! Handwerk, Industrie, aber auch die Landwirtschaft müsste man wieder arbeiten lassen!
Schmid: Auch aus der Not heraus, weil es einfach immer weniger Fachkräfte gibt, muss in der Baustoffbranche die Automatisierung noch mehr Einzug halten. Wir versuchen schon immer, die Verarbeitung unserer Produkte mit Maschinenunterstützung immer effizienter zu machen, und sind heute schon in der Lage, Teile von Gebäuden oder ganze Häuser 3D zu drucken. Das wird zwar lange noch nicht State-of-the-Art werden, aber es entwickelt sich was.
Wie zufrieden sind Sie eigentlich mit dem Standort NÖ?
Schmid: Alle Standorte in Österreich sind schwierig, aber in Niederösterreich haben Politik und Verwaltung noch ein wenig mehr Verständnis für Wirtschaft als in manchen anderen Bundesländern. Insofern bin ich zufrieden!
Wenn sie drei grundlegende Dinge am Industriestandort NÖ ändern könnten, welche wären das?
Schmid: Eine Maximalzeit für Verfahren, Verantwortung der Behörden und Politiker und nicht das Auslagern zu NGOs, und wahrscheinlich eine gute Raumordnung, die sagt, wo prioritär Industrie, Energie, Wohnen oder sonstige Tätigkeiten zulässig und gewünscht sind.
Da Baumit in zahlreichen Ländern vertreten ist und einen guten Vergleich haben: Was läuft in Österreich gut bzw. was läuft in Österreich weniger gut/schlecht im Vergleich zu anderen Industriestandorten?
Schmid: Grundsätzlich ist Wirtschaften im dynamischen Osteuropa viel „lustiger“ als im lahmen Westeuropa. Über die Jahrzehnte von Wohlstand haben sich in Westeuropa unzählige „Lehmschichten“ gebildet, die scheinbar nicht mehr wegzubekommen sind!? In vielen Bereichen wäre sicher ein Drücken der Reset-Taste notwendig und ein vollkommen neuer Aufbau von Regeln und Voraussetzungen.
Baumit ist ein etabliertes Familienunternehmen und gehört zur familiengeführten Schmid Industrieholding. Was es für Sie immer schon klar, dass Sie im Familienunternehmen tätig sein werden und dort Verantwortung übernehmen wollen?
Schmid: Eigentlich wollte ich immer im Familienunternehmen tätig sein, habe ja schon meine Volksschulzeit im Werksareal verbracht (die Wopfinger Volksschule ist direkt neben unserer Verladung gestanden und ist heute unser Baumit Training Center) und hatte das Glück, dass mir meine Familie die Möglichkeit gegeben hat, das auch zu machen.
Familienunternehmen zeichnen sich oft durch eine besondere Unternehmenskultur aus. Wie gelingt es Ihnen, diese besondere Verbindung und Identität aufrechtzuerhalten, während das Unternehmen wächst und sich verändert?
Schmid: Kultur ist sicher der wesentlichste Kern des Erfolgs unseres Unternehmens. Diese Unternehmenskultur auch in einer größeren Organisation zu leben, ist natürlich schwierig. Ich kann in Wopfing auch einem Staplerfahrer irgendwie mitgeben, dass wir ein Familienunternehmen sind und zusammenhalten und eigentlich nur gemeinsam erfolgreich sein können, bei einem polnischen Absacker tu ich mir da schon ein bisschen schwer, er ist weit weg. Aber bis heute haben wir das ganz gut gemacht.
Visionäre Führungskräfte inspirieren oft andere. Gibt es eine Person, die Ihre eigene Herangehensweise an Führung und Unternehmertum geprägt hat?
Schmid: Am Anfang meiner Berufslaufbahn hatte ich das große Glück, dass ich zwei Mentoren hatte: unseren damaligen Technischen Direktor und unseren Kaufmännischen Direktor, die mich unter die Fittiche genommen haben und mir in der Praxis gezeigt haben, wie Unternehmensführung geht. Darüber hinaus hatte ich einen sehr erfolgreichen Vater, Friedrich Schmid, der ein Vollblutunternehmer war und uns immer gezeigt hat, was das heißt.
Wie lautet Ihr Leitspruch für Ihre Führungstätigkeit?
Schmid: Lasst die Leute selbständig arbeiten.
Junge Menschen können viel von erfahrenen Führungskräften lernen: Welche grundlegenden Prinzipien der Führung und des Unternehmertums haben sich Ihrer Erfahrung nach bewährt? Welchen Rat geben Sie jungen aufstrebenden Führungskräften?
Schmid: Für junge Menschen ist vorab einmal wichtig, dass sie etwas gelernt haben. Dann sollten sie gut beobachten, was im Unternehmen so passiert. Sie müssen aktiv sein und Dinge selbständig in die Hand nehmen; sie müssen menschlich und kollegial sein und letztlich einfach fleißig. Wissen, soziale Kompetenz und Fleiß sind aus meiner Sicht die Dreifaltigkeit von erfolgreicher und schöner Arbeit.
Zum Unternehmen: Baumit ist ein Familienunternehmen mit der Zentrale in Waldegg/Wopfing und einer der führenden Hersteller von Baustoffen für den Innen- und Außenbereich. Die Produktpalette umfasst Fassaden- und Innenputze, Estriche, Farben, Betone, Wärmedämmverbundsysteme und andere Baustoffe. In Österreich beschäftigt die Baumit GmbH an acht Standorten rund 700 Mitarbeiter. Unter der Holding Baumit Beteiligungen GmbH ist das Unternehmen mit seinem Sortiment in 24 Ländern vertreten.