Interview: „Powerfrau zu sein bedeutet, Ziele zu haben und Hindernisse zu überwinden“

Elfriede Hell, Geschäftsführerin der Hasco Austria GmbH in Guntramsdorf, spricht anlässlich des Weltfrauentags am 8. März im Interview über ihre Erfahrungen als weibliche Führungskraft in der Industrie und gibt Einblicke in die Strategien und Herausforderungen des traditionsreichen Unternehmens auf dem Weg in die Zukunft.

Frage: Hasco feiert dieses Jahr sein 100-jähriges Jubiläum – ein Unternehmen mit langer Geschichte und Tradition. Wie bewältigt Hasco die Herausforderung, Tradition und Fortschritt in Einklang zu bringen, um erfolgreich in die Zukunft zu gehen?

Elfriede Hell: Wenn ich über Tradition nachdenke und über diesen vermeintlichen Konflikt, dann fällt mir immer ein Spruch ein: „Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern das Weitertragen des Feuers“. Und das machen wir, indem wir unser Team aus der Kraft dessen, was wir in der Vergangenheit geschafft haben, für neue Ziele oder Veränderungen vorbereiten und mitnehmen. Um bei der Analogie des Feuers zu bleiben kann ich mit Stolz sagen, dass wir auch dafür brennen, was wir tun. Aus dieser Energie schöpfen wir und entwickeln neue Produkte und Innovationen: Was braucht der Kunde? Was braucht der Markt? Das hält uns fit. Tradition ist der Background, auf dem wir aufbauen.

Frage: Der Kerngedanke von Hasco ist, „Dinge einfacher zu machen“ – dabei hat das Unternehmen immer auf Innovationen gesetzt. An welchen Innovationen wird derzeit getüftelt?

Im Zuge unseres 100-jährigen Bestehens haben wir einen Slogan entwickelt, der unsere Kernbotschaft auf den Punkt bringt: "100 Ideen in der Vergangenheit, 100 Ideen für die Zukunft". Das unterstreicht unsere starke Ausrichtung auf die Zukunft. Doch wohin lenken wir unsere Innovationskraft? Ganz klar auf unsere Kunden. Und wie setzen wir das um? Mit einem klaren Fokus auf Digitalisierung.

Selbst in traditionellen Branchen wie der Metallverarbeitung oder der Spritzgussindustrie ist die Digitalisierung unverzichtbar geworden. Wir entwickeln Produkte mit digitalen Komponenten und optimieren gleichzeitig unsere internen Prozesse. Zusammen mit unseren Kunden analysieren wir ihre digitalen Workflows, um sie bestmöglich zu unterstützen. In unserem Standort in Guntramsdorf sind Digitalisierungsprojekte in der mechanischen Fertigung ein zentraler Schwerpunkt.

Doch während wir uns auf technologische Innovationen konzentrieren, vergessen wir nicht unsere grundlegenden Werte. Einfachheit ist einer davon. Obwohl es auf den ersten Blick unspektakulär erscheinen mag, ist Einfachheit für uns der Schlüssel zur Standardisierung und Produktivitätssteigerung, wodurch wir langfristig unsere Wettbewerbsfähigkeit sowie die unserer Kunden stärken.

Die Industrie befindet sich weiter in einer konjunkturell schwierigen Zeit. Wie geht es Ihrem Unternehmen?

Wir haben in der Vergangenheit gut vorgesorgt. Ein Hasco Markenwert ist u.a. die Agilität. Ich glaube, das bewährt sich gerade sehr, in dieser Zeit der vielen Krisen. Die wirtschaftliche Lage stellt die gesamte Branche vor Herausforderungen. 2023 war ein Jahr der Konsolidierung für uns. Wir rechnen zumindest im zweiten Halbjahr 2024 mit einer leichten Erholung. Aus Gesprächen mit unseren Kunden wissen wir, dass Projekte in der Pipeline sind.

Persönlich bin ich davon überzeugt, dass der Mensch von Natur aus danach strebt, Leistung zu erbringen. Dabei geht es nicht nur um finanzielle Entlohnung, sondern vielmehr darum, einen Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten und Anerkennung für seine Leistungen zu erhalten.


Was sehen Sie eigentlich als größte Gefahr für den Industriestandort Niederösterreich/Österreich?

Die letzten Kollektivvertrags-Verhandlungen waren eine Steilvorlage für die Wettbewerbsfähigkeit. Die Fertigungskosten sind mittel- und langfristig gesehen für mich eine große Herausforderung. Da geht es um die Personalkosten, aber natürlich auch um die Energiekosten. Bei den Energiekosten pendeln wir uns trotz einer gewissen Beruhigung gerade auf die doppelten Kosten von 2019/2020 ein, und das wird voraussichtlich auch so bleiben.

Ein weiteres Problem stellt der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften dar, sowohl im Bereich Fertigung als auch in den Bereichen Instandhaltung, Engineering und Konstruktion. Wir beobachten auch bei unseren Lieferanten Engpässe, sei es bei der Lagerhaltung von Teilen oder beim Einsatz von Ingenieuren für Serviceleistungen. Der Fachkräftemangel betrifft also nicht nur unser Unternehmen, sondern auch unsere Zulieferer. Das hat über diesen Weg direkte Auswirkungen auf unsere Betriebsabläufe, was sich teilweise in längeren Wartezeiten auf Ersatzteile und Serviceleistungen niederschlägt.

EU-Regelungen wie das geplante Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz stellen ebenfalls eine erhebliche Belastung dar. Als mittelständisches Unternehmen sehen wir uns mit zunehmend bürokratischen Anforderungen konfrontiert, die unsere Ressourcen binden und unsere Flexibilität einschränken. Obwohl diese Gesetze oft zum Schutz von Arbeitnehmern und Verbrauchern erlassen werden, stellen sie eine zusätzliche (finanzielle) Belastung dar. Ich bin jedoch skeptisch, ob wir diese Belastungen so kommunizieren können, dass Kunden bereit sind, dafür höhere Preise zu akzeptieren - insbesondere, weil wir uns in einem internationalen Wettbewerbsumfeld befinden.

Es ist eine Gratwanderung zwischen dem Schutz von Interessen und der Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit. Ich verstehe, warum solche Maßnahmen ergriffen werden. Natürlich sind höhere Sozial- und Umweltstandards wichtig. Doch die entscheidende Frage lautet: Bleiben wir konkurrenzfähig, oder wird einfach dort gekauft, wo es billiger ist und keine Rücksicht auf Menschenrechte genommen wird? Ich bezweifle, dass mit den geplanten EU-Regelungen das angestrebte Ziel erreicht wird.

Wenn Sie drei grundlegende Dinge am Standort NÖ ändern könnten, welche wären das?

Zunächst möchte ich betonen, dass wir in Niederösterreich bereits Vieles sehr gut machen, sowohl im Vergleich zu anderen Bundesländern als auch im internationalen Kontext. Wenn ich jedoch etwas ändern könnte, würde ich als erstes die öffentliche Anbindung ansprechen. Insbesondere für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aus Wien kommen oder unsere Lehrlinge/Auszubildenden ohne Führerschein, stellt dies eine Herausforderung dar. Eine verbesserte Verkehrsanbindung würde nicht nur die Mobilität unserer Belegschaft verbessern, sondern auch die Attraktivität des Arbeitsplatzes steigern und niederösterreichische Standorte im Wettbewerb um Fachkräfte stärken.

Ein großes Thema ist „Leistung muss sich wieder lohnen“: Welchen Wert hat für Sie Arbeit?

Persönlich bin ich davon überzeugt, dass der Mensch von Natur aus danach strebt, Leistung zu erbringen. Dabei geht es nicht nur um finanzielle Entlohnung, sondern vielmehr darum, einen Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten und Anerkennung für seine Leistungen zu erhalten. Es ist erfüllend, wenn man gemeinsam im Team kommuniziert, erfolgreich Projekte umsetzt oder innovative Produkte entwickelt.

Work-Life-Balance, Teilzeit, Vollzeit: Wie kann man Menschen motivieren, „mehr“ zu arbeiten?

Für mich liegt der Kern darin, dass es nicht nur um die Bezahlung geht, sondern auch darum, Anerkennung für die Leistung und das Endprodukt zu erhalten. Wir fertigen bei Hasco z.B. Stahlplatten, ein Produkt, das in der Endfertigung eher abstrakt wirkt. Doch ich betone stets gegenüber meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass das, was sie tun, von unschätzbarem Wert ist. Ich glaube fest daran, dass es jedem Industriebetrieb möglich ist, die Verbindung zwischen dem eigenen Produkt und dem Endprodukt herzustellen und diese Wertschöpfung zu vermitteln.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist unsere Flexibilität bei der Arbeitsgestaltung, um auf individuelle Bedürfnisse einzugehen. Wir ermöglichen es beispielsweise Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, Urlaubstage flexibel zu nutzen, um z.B. kurzfristige familiäre Verpflichtungen zu erfüllen. Wir bieten auch flexible Arbeitszeiten an, wie individuelle Arbeitszeitanpassungen, um den unterschiedlichen Lebensumständen gerecht zu werden. Unsere Belegschaft weiß, dass wir auf ihre Lebensphasen Rücksicht nehmen und dafür sind sie bereit, sich voll und ganz für das Unternehmen einzusetzen.

In Bezug auf Teilzeitarbeit glaube ich, dass wir uns von dem traditionellen Konzept verabschieden müssen, bei dem man sich entweder für Vollzeit oder für Teilzeit entscheidet. Es sollte vielmehr möglich sein, flexibel zwischen verschiedenen Arbeitszeitmodellen zu wechseln, je nach den individuellen Lebensumständen und Bedürfnissen. Als Arbeitgeber müssen wir hier flexibler denken und agieren.

Wie stehen Sie zur Vier-Tage-Woche?

Ich betrachte das Thema kritisch, insbesondere im Kontext des internationalen Wettbewerbs. In Österreich haben wir bereits mit 38,5 Stunden und zahlreichen Feiertagen vergleichsweise wenige Arbeitsstunden im europäischen Umfeld. Eine Vier-Tage-Woche würde eine Herausforderung darstellen, insbesondere in Branchen wie zum Beispiel Pflege, Einzelhandel und Bildungswesen. Wir müssten berücksichtigen, wer dann noch die Kontinuität der Dienstleistungen sicherstellt, wenn viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur noch vier Tage arbeiten möchten. Aber auch in der Industrie: Mein Fräser dreht ja nicht schneller, weil er vier statt fünf Tage arbeitet - sondern der Mitarbeiter ist kürzer da.

Überhaupt erscheint mir die Idee eines vollen Lohnausgleichs bei einer Arbeitszeitverkürzung, deren Umsetzung auch mit dem Argument der Produktivitätssteigerung beworben wird, als eine interessante, aber auch herausfordernde Dynamik zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Es scheint fast wie ein Vorwurf an die Arbeitskräfte zu sein: Ihr könntet bereits jetzt immer 20 Prozent mehr leisten, durch höhere Effizienz.

Um eine gesteigerte Produktivität zu erreichen, müsste der Druck auf die Mitarbeiter erhöht werden. Das Arbeitsvolumen bliebe gleich, aber es wird erwartet, dass die Belegschaft damit besser zurechtkommt. Dabei könnte jedoch der soziale Zusammenhalt innerhalb des Teams verloren gehen, da weniger Zeit für informelle Gespräche oder Pausen bleibt.

Was mir in der Debatte zu diesem Thema außerdem fehlt, ist eine Langzeitstudie, die die langfristigen Auswirkungen einer solchen Maßnahme beleuchtet. Vielleicht kann ich zu Beginn alles bewältigen, aber bleibt dies auch nach drei Jahren noch so? Eine dauerhafte Produktivitätssteigerung um 20 Prozent könnte problematisch werden, insbesondere wenn Mitarbeiter ausfallen oder in den Urlaub gehen. Wer übernimmt dann die zusätzliche Arbeit, wenn kein Spielraum mehr besteht? Diesen Spielraum haben wir im Moment.

Wir müssen den jungen Frauen beibringen, sich zu trauen. Wenn etwas nicht klappt und man dann hinfällt, steht man einfach auf, schüttelt sich ab und geht weiter.


Am 8. März ist Weltfrauentag und Sie sind eine der wenigen weiblichen Führungskräfte an der Spitze eines Industriebetriebs in Österreich. Sind Sie eine Powerfrau?

Für mich bedeutet Powerfrau nicht nur, eine herausragende Position zu haben, sondern auch Ziele zu haben und mit Engagement, Ausdauer und Initiative nach ihnen zu streben. Es bedeutet, Hindernisse zu überwinden, sich selbst herauszufordern und dabei andere Frauen zu ermutigen und zu unterstützen, ihre eigenen Ziele zu erreichen. Also ja, ich betrachte mich als Powerfrau und setze mich dafür ein, anderen Frauen in der Industrie zu zeigen, dass sie ebenfalls erfolgreich sein können, wenn sie es wollen.

Was waren und sind Ihre Ziele?

Ich komme aus einem kleinen Dorf in Oberösterreich. Meine Ziele wurden durch mein Aufwachsen in einem landwirtschaftlichen Umfeld geprägt, in dem das Unternehmertum fest verwurzelt war. Von meinen Eltern habe ich dieses aktive Gen geerbt, das mich gelehrt hat, dass Erfolg eine gemeinsame Anstrengung ist.

Für mich ging es immer darum, Dinge zu gestalten. Man hat Ideen und sollte auch den Spielraum haben oder sich diesen nehmen können, um zu sagen: „So, das beeinflusse ich jetzt aber.“ Ich glaube, dass diese Einstellung schon sehr früh in mir geweckt wurde.

Wollten Sie immer schon in einem Industriebetrieb arbeiten?

Die Entscheidung ergab sich aus meinem starken Interesse an Sprachen, anderen Ländern und dem Export. In diesem Zusammenhang bot sich die Industrie natürlich an. Für mich war bald klar, dass dies mein Weg sein könnte, vielleicht schon mit der Wahl der Handelsakademie als Schulform und der zusätzlichen Ausbildung im Maschinenbau an der HTL.

Es heißt, dass Frauen in bestimmten Branchen und Positionen härter kämpfen müssen. Wie war das bei Ihnen? Hatten Sie im Verlauf Ihrer Karriere das Gefühl, härter oder mehr arbeiten zu müssen als Männer, um den Punkt zu erreichen, an dem Sie sich heute befinden?

Männern wird oft unterstellt, im positiven Sinne, dass sie weiterkommen wollen. Das heißt nicht, dass jeder Mann automatisch befördert wird; er muss auch etwas dafür tun. Dadurch haben Männer meiner Ansicht nach auch mit Problemen zu kämpfen, da diese Erwartungshaltung immer besteht, das ist eine andere Art von Druck. Bei Frauen hingegen wird eher so reagiert: "Ah, das war mir nicht klar", oder im Gegenteil, es wird unterstellt, dass sie Karriere nicht wollen, oder man es ihnen nicht zutraut.

Man muss sich außerdem auch zutrauen, Führungskraft zu werden. Was ich insgesamt beobachte, ist: Wenn man Führungskraft werden will – das gilt für Männer und Frauen gleichermaßen –, muss man sich ein Stück aus der Kollegenschaft herausnehmen und sich angreifbar machen. Das muss man einfach wollen und aushalten können. Das bedeutet, dass das Teflon ein bisschen dicker werden muss, und das geschieht mit der Zeit.

Was ist Ihr Leitspruch als Führungskraft?

Zeige Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die du nicht ändern kannst. Den Mut, Dinge zu ändern, die du ändern kannst, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Welche Ratschläge würden Sie einem jungen Mädchen geben, das Ihnen sagt: „Wenn ich groß bin, möchte ich auch Chefin werden wie Sie“?

Trau dich. Wir müssen den jungen Frauen beibringen, sich zu trauen. Wenn etwas nicht klappt und man dann hinfällt, steht man einfach auf, schüttelt sich ab und geht weiter.

Frauen sind in der Industrie nach wie vor unterrepräsentiert. Viele Leute könnten das Vorurteil haben, dass Industrie eine Männerdomäne sei. Was entgegnen Sie: Warum passen Frau und Industrie gut zusammen?

Das passt sehr gut zusammen. Lärm, Schmutz, Schwerarbeit: Vieles davon gibt es heutzutage nicht mehr, da die Arbeitsbedingungen durch den Arbeitnehmerschutz massiv erleichtert wurden. Außerdem wird in MINT-Berufen schlicht und einfach besser bezahlt.

Deshalb, liebe Mädchen und junge Frauen, mein Appell an euch: Wenn ihr als Kind gerne gebastelt habt und Werken lieber mögt als Nähen, dann bitte kommt in die Industrie! Wir sollten alle darauf achten, dass wir glücklicher sind, wenn wir das tun, was unseren Fähigkeiten am meisten entspricht.

Abschließende Frage: Was macht Ihnen an Ihrem Job am meisten Spaß?

Ich habe Freude an der Vielfalt an kaufmännischen und technischen Themen, die ich mit meiner Belegschaft bearbeite. Jeder Tag ist spannend. Manchmal weiß ich in der Früh nicht, was an dem Tag auf mich zukommt. Ich schätze außerdem die Möglichkeit, als Vorbild voranzugehen und ein positives Arbeitsumfeld zu schaffen. Die Verantwortung, ein "Great Place to Work" zu gestalten, ist herausfordernd, aber auch sehr bereichernd.

Foto: Hasco Austria GmbH