Johann Eggerth leitet den Österreich/Schweiz-Bereich von Vetropack, einem der führenden Hersteller für Glasverpackungen in Europa. Ein Gespräch über Anpassungsfähigkeit in schwankenden Zeiten und die Rolle der Glasindustrie in einer nachhaltigen Zukunft.
Das Jahr 2023 war eine Achterbahnfahrt für die Industrie. Wie geht es Vetropack derzeit und was sind Ihre Erwartungen für die nahe Zukunft?
Johann Eggerth: Das Jahr 2023 ist stark gestartet, doch schon bald spürten wir einen signifikanten Nachfrageeinbruch, der die gesamte Branche traf. In Reaktion darauf mussten wir unsere Produktionskapazitäten anpassen und konnten nicht im Vollbetrieb fahren. Angesichts dieser Herausforderungen halfen Entspannungen auf den Energiemärkten, die Lage etwas zu stabilisieren. Für das laufende Jahr erwarten wir eine Fortsetzung dieser gedämpften Nachfrage, mit einem vorsichtigen Optimismus für das zweite Halbjahr 2024.
Welche spezifische Rolle spielt der österreichische Standort innerhalb des Vetropack-Konzerns? Gibt es hier besondere Kompetenzen oder Spezialisierungen?
Unsere österreichischen Standorte bedienen jeweils etwas zur Hälfte den Heimmarkt und ausgewählte Exportmärkte. In Pöchlarn in Niederösterreich liegt außerdem unser gruppenweites Innovationszentrum, wo der Großteil der Produkt- und Prozessentwicklung stattfindet. Dieser Standort beherbergt auch das Produktionstrainingszentrum für die ganze Gruppe. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus ganz Europa kommen hierher, um sich in speziellen technischen Bereichen weiterzubilden.
Welche spezifischen Vorteile oder Herausforderungen gibt es am Standort Österreich gegenüber Standorten des Konzerns in anderen Staaten?
Die Herausforderungen sind offensichtlich und ein ständiges Thema für uns. Die hohen Energie- und Personalkosten in Österreich, verschärft durch die Inflation der letzten Jahre, sind besonders im Vergleich zu unseren Nachbarländern spürbar und fordern ein ständiges Anpassungsvermögen. Auf der anderen Seite haben wir ein gutes Team - gute Fachkräfte, gute Führungskräfte, die hart arbeiten, um einen Teil dieser Herausforderungen zu kompensieren.
In einer Industrie, in der technologische Ressourcen und Ausrüstungen wie Schmelzwannen und Produktionsmaschinen global verfügbar und somit für alle zugänglich sind, wird es zunehmend schwieriger, sich rein technisch zu differenzieren. Der Faktor Mensch spielt daher eine entscheidende Rolle. Es geht darum, alles ein bisschen besser, effizienter und effektiver zu gestalten.
Sind die Standorte in Österreich langfristig gesichert?
Sie stehen nicht zur Diskussion, doch sind große Investitionsentscheidungen stets gründlich zu prüfen. Wir müssen sicherstellen, dass sich Investitionen rechnen, das ist generell bei internationalen Unternehmen üblich.
Welche drei grundlegenden Veränderungen würden Sie in Niederösterreich vornehmen, um das Land als Industrie- und Wirtschaftsstandort attraktiver zu machen?
Ich sehe folgende wesentliche Handlungsfelder: Erstens, die Verfügbarkeit qualifizierten Personals. Es ist oft schwierig, Mitarbeiter für den kontinuierlichen Schichtbetrieb zu gewinnen. Hier spielen demographische Entwicklungen ebenso eine Rolle wir sich verändernde Lebensmodelle und Prioritäten. Mehr netto vom brutto für Mitarbeiter, die besondere Einsatz- und Leistungsbereitschaft an den Tag legen, wäre natürlich ein Anreiz. Dazu müssen wir die berufliche Ausbildung und Weiterbildung weiter intensivieren, um sowohl die Fähigkeiten als auch die Bereitschaft der Arbeitskräfte zu erhöhen, in der Industrie tätig zu sein.
Zweitens, das Bewusstsein für die Bedeutung der Industrie. Wir müssen ein stärkeres Verständnis dafür schaffen, wie entscheidend die Industrie für unser Wohlstandsniveau ist. Dies erfordert gezielte Informationskampagnen und die Einbindung aller gesellschaftlichen Ebenen, um die Grundvoraussetzungen für eine langfristig erfolgreiche Industrie zu kommunizieren und zu verstehen.
Drittens, die Energiefrage. Nehmen wir das Beispiel der Energiewende: Wenn von uns erwartet wird, dass wir kohlenstoffhaltige Energieträger nicht mehr verwenden, brauchen wir Alternativen zu wirtschaftlich vertretbaren Konditionen. Zum Beispiel, wenn der Einsatz von Erdgas reduziert werden soll, benötigen wir große Mengen an Elektrizität oder Wasserstoff. Die aktuelle Herausforderung bei Wasserstoff ist zum Beispiel, dass sowohl die Verfügbarkeit als auch die Kosten von Wasserstoff noch nicht wettbewerbsfähig sind und auch nicht kalkulierbar ist, bis wann sich das ändern könnte.
Ohne realistische, wirtschaftliche Alternativen können Industrieunternehmen nicht effektiv planen und investieren. Wir brauchen daher eine klare, langfristige politische und wirtschaftliche Strategie, die den Übergang zu alternativen Energien unterstützt.
Wie gehen Sie als energieintensiver Betrieb mit den immer noch zu hohen Energiepreisen um?
Energieeffizienz ist ein Dauerthema bei uns. Wir arbeiten ständig daran, sowohl im Produktionsprozess als auch bei den Produkten selbst, Einsparpotenziale zu heben. Insbesondere streben wir danach, den Anteil von Altglas in unserem Rohstoffmix zu erhöhen. Derzeit liegt der Altglas-Anteil bei etwa 70 Prozent. Durch die Nutzung von Altglas sparen wir signifikant Energie, da das Schmelzen von recyceltem Glas deutlich weniger Energie benötigt als das von neuen Rohstoffen wie Quarzsand oder Soda. Dies hilft uns, die Produktionskosten zu senken und die Umweltbelastung zu verringern.
Welche Trends sehen Sie in der Nachfrage nach Glasverpackungen und wie positioniert sich Glas als Verpackungsmaterial für die Zukunft?
Die Nachfrage nach Glasverpackungen ist langfristig mit dem BIP gewachsen und ich sehe eine positive Zukunft für Glas, insbesondere wegen seiner hervorragenden Recycling-Eigenschaften und chemischen Neutralität, die Lebensmittel und Getränke unverändert lassen. Glas hat gegenüber anderen Verpackungsmaterialien den Vorteil, dass es inert ist, keine chemischen Reaktionen eingeht und daher Geschmack und Qualität der Inhalte nicht beeinflusst. Außerdem ist Glas zu fast 100 Prozent recycelbar und trägt somit zu einer nachhaltigeren Umwelt bei.
Welche Innovationen sind derzeit in Entwicklung und welche Auswirkungen erwarten Sie sich davon für die Zukunft des Unternehmens und der Branche?
Wir setzen stark auf die Entwicklung von Leichtglas, um das Glasgewicht pro Verpackung weiter zu reduzieren und dadurch Material- und Energieeinsparungen zu erzielen. Dies ist ein wesentlicher Hebel für Energieeffizienz. Zudem geht der Trend hin zu Hybrid-Schmelzwannen, die nicht nur mit Erdgas, sondern einem Mix aus Erdgas und elektrischer Energie befeuert werden. Innovationen wie diese sind Teil unserer Strategie, die CO2-Bilanz zu verbessern und die Energieeffizienz unserer Produktionsprozesse zu steigern, was letztendlich die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Vetropack stärkt.
Was fasziniert Sie persönlich an Glas?
Glas ist nicht nur ein Material, es ist eine faszinierende Synthese aus Kunst und Wissenschaft, aus Beständigkeit und Klarheit. Schon seit über 4.500 Jahren begleitet es die menschliche Zivilisation, von den Fenstern, die Licht in unsere Häuser bringen, bis hin zu den Behältern, die unsere Lebensmittel sicher und frisch halten. Glas ist durchsichtig und doch so stark, es ist zerbrechlich und dennoch dauerhaft. Diese unglaublichen Eigenschaften machen Glas zu einem einzigartigen Werkstoff, der in unserer Gesellschaft eine unersetzliche Rolle spielt.
Sie sind aktiv im IV-NÖ-Präsidium tätig. Was motiviert Sie zu diesem Engagement und warum ist es Ihnen wichtig, sich für die Industrie einzusetzen?
Meine Affinität zur Industrie ist tief verwurzelt, schon seit meiner Ausbildung. Ich bin überzeugt von der essenziellen Rolle der Industrie für unser Wirtschaftsgefüge und unser Wohlstandsniveau. Eine funktionierende Industrie ist zentral für die Finanzierung unseres liberalen demokratischen Gesellschaftsmodells. Deshalb setze ich mich aktiv für die Industrie ein, um ihre Interessen zu unterstützen und ihre Wahrnehmung in der Gesellschaft zu verbessern.
Zum Unternehmen:
Vetropack Austria GmbH produziert Glasverpackungen in Österreich und vertreibt sie im Inland sowie auf ausgewählten Exportmärkten. Die Standorte befinden sich in Pöchlarn (Niederösterreich) und Kremsmünster (Oberösterreich). Das Glaswerk Pöchlarn in Niederösterreich wurde im Jahr 1979 gegründet. Sechs Jahre später übernahm Vetropack das Unternehmen und markierte damit den Beginn seiner geografischen Expansion. Im Jahr 1993 erwarb Vetropack das bereits 1949 gegründete Werk Kremsmünster und integrierte es in die Vetropack Austria GmbH. An den beiden Standorten werden von 730 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern täglich 1.100 Tonnen Verpackungsglas produziert. Am Standort Pöchlarn der VPA sind zudem das Innovationszentrum sowie das Trainingszentrum der international tätigen Vetropack-Gruppe angesiedelt.