Interview: „Wenn wir so weitermachen, machen wir den Standort Österreich kaputt"

Felix Sorger, Geschäftsführer der FMW Förderanlagen GmbH in Kirchstetten, spricht über aktuelle Herausforderungen, Chancen und Strategien für die Zukunft. 

Wie ist die aktuelle Geschäftslage bei FMW?

Heuer läuft es nicht ganz so gut wie in den vergangenen beiden Jahren. In den USA wird generell in Wahljahren weniger investiert; in Europa sehen wir eine Rezession, nach den starken Investitionen der letzten Jahre warten viele Unternehmen nun ab. In Asien gibt es genügend Projekte, aber besonders in China wird der Wettbewerb durch dortige lokale Firmen immer härter. Trotzdem bin ich für 2025 optimistisch, dass die Auftragseingänge wieder steigen.

Sie haben China erwähnt – was sind die größten Herausforderungen auf diesem Markt?

China ist nach der Corona-Krise sehr protektionistisch geworden. Es gibt dort plötzlich lokale Firmen, die direkte Konkurrenten von uns sind und die es früher nicht gegeben hat.

Sie haben 2018 die „FMW 2025“-Strategie gestartet. Was waren die wichtigsten Veränderungen?

Wir haben den Fokus auf Digitalisierung gelegt, Schulungsprogramme für unsere Mitarbeiter eingeführt und eine „Local to Local“-Strategie entwickelt. Das heißt, dass wir in den USA und China unsere Standorte stärken, um näher an den Kunden zu sein. Das gilt natürlich auch für Europa.

In den vergangenen Jahren gab es viele Krisen: Corona, Inflation, Energiekrise, Ukrainekrieg. Wie haben sich diese Ereignisse auf Ihre strategische Planung ausgewirkt?

Früher konnte man eine Strategie für sechs oder sieben Jahre festlegen, ohne dass viel Anpassung nötig war. Die Märkte waren stabil, man konnte langfristig planen. Heute sieht das ganz anders aus – man muss ständig auf Veränderungen reagieren und sich anpassen. Unsere Strategie ist heute breiter gefasst, um flexibel zu bleiben. Wir geben uns bewusst mehr Spielraum, damit wir schnell manövrieren können. Das ist für eine Firma unserer Größenordnung möglich, auch wenn wir unser Geschäftsmodell nicht von einem Tag auf den anderen komplett umstellen könnten. Aber wenn es nötig ist, sind wir bereit, uns entsprechend anzupassen. Flexibilität und schnelle Reaktion sind entscheidend.

Nachhaltigkeit ist in der Industrie ein großes Thema. Wie gehen Sie bei FMW damit um?

Nachhaltigkeit wird immer wichtiger, besonders durch die ESG-Vorgaben der EU oder den Green Deal. Für unsere börsennotierten Kunden müssen wir strenge Kriterien erfüllen, was für uns zusätzlichen Aufwand bedeutet, der immer mehr werden wird. Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass das in Zukunft eine zusätzliche Belastung wird, aber hoffentlich wird man durch entsprechende Softwarelösungen den Anforderungen nachkommen können.

Wie sehen Sie den Fachkräftemangel? Haben Sie genug qualifizierte Mitarbeiter?

In den meisten Bereichen haben wir das Personal, das wir brauchen. In den technischen Bereichen, besonders bei Software und Elektronik, suchen wir allerdings schon lange nach Verstärkung. Der Vorteil für uns ist die Nähe zur HTL St. Pölten, von der jedes Jahr junge Talente für Praktika zu uns kommen. Wir stellen auch jedes Jahr ein paar ehemalige Praktikanten ein, die das Unternehmen schon kennen. Sie werden dann bei uns weiter ausgebildet. Das sorgt für eine langfristige Bindung. Wer bei uns anfängt, bleibt oft lange im Unternehmen.

Wie sieht es mit Expansionsplänen aus? Haben Sie vor, neue Märkte zu erschließen oder Ihr Produktportfolio zu erweitern? Wir haben immer wieder Produkte, die wir in Österreich entwickelt haben und dann erfolgreich in die USA vermarkten konnten. Gleichzeitig gibt es in den USA Produkte, die in Europa noch keine Rolle spielen, die aber gut zu unserem Portfolio passen könnten. Hier sehen wir Potenzial, um den nordamerikanischen Markt stärker zu erschließen. Ein weiterer Fokus liegt auf China: Dort müssen wir unsere Produkte an die lokalen Anforderungen anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Es gibt technologische Unterschiede, auf die wir reagieren müssen. Und dann ist da noch das große Thema Kunststoffrecycling: Die EU pusht das massiv, aber es gibt noch viele Ungereimtheiten, etwa wenn recyceltes Plastik teurer ist als neu hergestelltes. Hier müssen Mechanismen geschaffen werden, die eine konsequente Umsetzung unterstützen.

Wie sehen Sie Niederösterreich als Industriestandort?

Niederösterreich ist für ein Industrieunternehmen definitiv ein guter Standort, die Politik versucht durch unterschiedliche Anreize, das stetig zu verbessern. Die rasche Unterstützung, die nach dem Hochwasser angelaufen ist, war etwa beeindruckend und hat stark geholfen.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Chancen und Risiken für den Industriestandort Österreich in den kommenden Jahren? Wenn wir so weitermachen wie bisher, machen wir den Industriestandort Österreich kaputt. Die größte Chance sehe ich, wenn wir wieder eine kluge Industriepolitik betreiben. Österreich kann das – man muss sich nur anschauen, wie gut das in den vergangenen Jahrzehnten funktioniert hat. Österreich ist zwar kein großes Land, aber wir haben unglaubliche Unternehmen, unsere Hidden Champions. Die sind ein echtes Asset. Wir müssen unbedingt darauf achten, dass wir diese Unternehmen im Land halten. Wenn sie abwandern, wandern auch die Forschung und das Kapital ab, und dann bleibt von Österreich als Industriestandort nicht mehr viel übrig.

Wir müssen daher das Wissenskapital im Land halten, eine gute Standortpolitik betreiben und weiter in Forschung investieren. Auch Migration könnte eine Chance sein, wenn wir es richtig angehen – im Moment tun wir das nicht. Generell sollten wir die aktuellen Herausforderungen auch als Chancen sehen und nicht nur die Risiken im Blick haben.

Foto: FMW


Zum Unternehmen:

Die FMW Förderanlagen GmbH (ursprünglich: Förderanlagen und Maschinenbau Wilhelmshaven) wurde 1962 im norddeutschen Wilhelmshaven gegründet. Es gab eine Niederlassung in Wien, deren Standort später nach Kirchstetten, Niederösterreich, übersiedelte – ursprünglich aufgrund der Nähe zur Zuckerindustrie. Heute ist FMW auf Fördertechnik für die Papier-, Zellstoff- und Biomasse-Industrie spezialisiert; es werden auch Anlagen für die Spanplatten- und Recycling-Industrie gefertigt. Mit 95 Mitarbeitern am Standort Kirchstetten sowie Niederlassungen in den USA und China bedient das Unternehmen weltweit Märkte in Europa, Nordamerika und Asien.