Interview: „Bundesregierung muss Maßnahmen setzen, die sofortige Veränderungen bewirken"

Veit Schmid-Schmidsfelden, IV-NÖ-Vorstandsmitglied und Obmann der WKNÖ-Fachgruppe Metalltechnische Industrie, betont die Dringlichkeit von Reformen, um die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie zu sichern. Gemeinsam mit Experten der Branche wurden Reformvorschläge erarbeitet, die schon 2025 Impulse für den Standort setzen können. Im Kontext der laufenden Koalitionsverhandlungen richtet er einen klaren Appell an die politischen Parteien, schnell und zielgerichtet zu handeln.

Die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS laufen. Welche Botschaft richten Sie in dieser entscheidenden Phase an die Parteien?

Die Industrie in Niederösterreich, insbesondere die Metalltechnische Industrie, steht unter massivem Druck. Österreich zählt zu den Ländern mit den weltweit höchsten Lohnstückkosten, was unsere Unternehmen im internationalen Wettbewerb stark benachteiligt. Die Zahlen sind alarmierend: Selbst bei stagnierenden Lohnkosten würden wir Jahre brauchen, um wieder konkurrenzfähig zu werden. Selbst wenn wir ab 2025 keine Lohnsteigerungen mehr hätten, würde es bis zum 4. Quartal 2026 dauern, bis wir mit Deutschland gleichziehen, bis zum 1.Quartal 2030 mit Frankreich und bis zum 4. Quartal 2040 mit Italien. Um dem entgegenzuwirken, haben wir gemeinsam mit Wirtschaftsexperten und Partnern konkrete Maßnahmen entwickelt, die sofortige Wirkung entfalten werden.

Welche Sofortmaßnahmen sind möglich?

Besonders wichtig ist die Möglichkeit zur Vollabschreibung von Ausrüstungsinvestitionen im ersten Jahr, da dies Unternehmen dringend benötigte Liquidität verschafft und Investitionen anregt. Ebenso zentral ist die Erhöhung des Investitionsfreibetrags um weitere 20 Prozentpunkte, um wirtschaftliche Aktivitäten insbesondere im Bereich der Produktivitätssteigerung zu fördern. Zusätzlich schlagen wir vor, über das Austria Wirtschaftsservice (AWS) eigenkapitalähnliche Instrumente wie nachrangige Darlehen bereitzustellen, um die finanzielle Stabilität der Unternehmen zu stärken, ihnen den Zugang zu Kapital zu erleichtern und damit die Durchführung der aktuell aufgeschobenen Investitionen zu ermöglichen. All diese Maßnahmen sind darauf ausgelegt, sofortige Impulse zu setzen. Das zusätzlich generierte Steuer- und Abgabensubstrat überkompensiert den kurzfristig zu erwartenden Entgang fiskalischer Einnahmen.

Warum ist es so wichtig, dass diese Maßnahmen so rasch umgesetzt werden?

Die wirtschaftliche Lage ist kritisch. Wir bewegen uns auf einem Pfad der Stagnation, ähnlich wie Italien in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Das Ziel muss sein, einen Strukturbruch zu vermeiden und Österreich wieder auf einen Wachstumspfad zu führen. Wenn wir jetzt nicht handeln, werden wir unsere Wettbewerbsfähigkeit weiter verlieren, was langfristig Wohlstand und Lebensstandard in Österreich gefährdet. Immerhin kommen rund 35 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts (BIP) direkt oder indirekt aus der Industrie.

Welche strukturellen Reformen halten Sie langfristig für notwendig?

Neben den Sofortmaßnahmen braucht es eine umfassende Reform der Lohnnebenkosten und eine Entbürokratisierung, um den Standort dauerhaft zu stärken. Wir sprechen hier nicht von kosmetischen Anpassungen, sondern von einer grundlegenden Neujustierung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Ohne diese Reformen laufen wir Gefahr, weiter an Bedeutung zu verlieren.

Wie beurteilen Sie die Chancen, dass die neue Bundesregierung Ihre Forderungen umsetzt?

Die Regierung muss Maßnahmen setzen, um den Industriestandort zu retten. Das ist alternativlos.