Interview: "Konsumenten werden in Zukunft ‚Prosumer‘ sein"

Michaela Sadleder, Geschäftsführerin von Eaton Industries (Austria), spricht über smarte Stromnetze, digitale Tools,
die Zukunft des Energiemanagements von Haushalten – und die Rolle ihres Unternehmens bei diesem Wandel.

Eaton ist weltweit in mehr als 175 Ländern tätig. Welche Bedeutung hat der Standort Österreich im internationalen Vergleich?
Der Standort Österreich ist von großer Bedeutung für Eaton und wird das auch in Zukunft sein. Das Unternehmen investiert kontinuierlich in die Modernisierung, Flexibilisierung und Erweiterung des Standorts in Schrems, der eine Schlüsselrolle in der Produktion von Schaltgeräten und Energieverteilungssystemen für Europa und darüber hinaus spielt.

Wie hat sich das Unternehmen in Österreich in den letzten Jahren entwickelt und welche Schwerpunkte setzen Sie aktuell?
Neben unserem Beitrag zur Energiewende setzen wir in Österreich einen besonders großen Fokus auf Industrie 4.0. Letztes Jahr errichteten wir das Connected Learning Center: Es dient der Schulung von Mitarbeitern und unseren Auszubildenden in Industrie-4.0-Technologien. Unser Ziel ist es, das Digital Mindset zu fördern und die hohen Know-how-Anforderungen einer Smart Factory zu erfüllen. Durch diese Initiative unterstützen wir die digitale Transformation und stellen eine kontinuierliche Verbesserung unserer hochautomatisierten Produktion im Werk in Schrems sicher.

Welche Erwartungen haben Sie an das laufende Jahr? In welchen neuen Märkten oder Segmenten sehen Sie Wachstumspotenzial?
Als Power-Management-Unternehmen treiben wir die Energiewende voran. Der Ausbau des Netzes ist dabei essenziell, und der Bedarf an Mittelspannungsschaltanlagen und Transformatoren steigt kontinuierlich. Als Pionierunternehmen in der schwefelhexafluoridfreien (SF6-freien, Anm.) Technologie bei Mittelspannungsschaltanlagen haben wir in diesem Bereich die längste Erfahrung im Markt. Darüber hinaus sind die Digitalisierung und die Integration von künstlicher Intelligenz von entscheidender Bedeutung. Auch der verstärkte Einsatz unserer Power-Quality- und Energieverteilungslösungen wird eine zentrale Rolle in der IT-Infrastruktur und in Rechenzentren spielen und zum Wachstum beitragen.

Welche Stärken und Schwächen hat Österreich als Industriestandort – insbesondere in Niederösterreich?
Eine der größten Stärken ist die lokale Wertschöpfung, die sowohl für uns als auch für unsere Kunden von großer Bedeutung ist. Wir haben über die Jahre hinweg eine hohe Qualität und ein umfangreiches Know-how aufgebaut. Ein gutes Beispiel dafür ist unser Sondermaschinen- und Werkzeugbau, der unsere sehr hohe Fertigungstiefe und Flexibilität unter Beweis stellt. In Zukunft fokussieren wir noch viel mehr als bisher auf die Multiplikation unserer Erfahrung aus Österreich für zukünftige Produktionsstätten weltweit – und stärken so unseren Standort.

Wie wird sich aus Ihrer Sicht der durchschnittliche österreichische Haushalt bis 2035 energietechnisch verändern?
Tatsächlich ist in unserem Zielbild für die nahe Zukunft jedes Gebäude ein Energiezentrum. Dabei werden Konsumenten zu „Prosumern“. Das bedeutet, dass jeder Haushalt produziert und konsumiert, die Energie digital managt und von flexiblen Demand-Response-Programmen profitiert. Das heißt, alle Nutzer des Energiesystems verwenden Tools, die die flexiblen Strompreise zum Vorteil machen und Spitzenlasten und -tarife glätten können. Dabei schonen sie das Netz und leisten einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung. Durch die verbraucherseitige Flexibilisierung können Studien zufolge auf europäischer Ebene jährlich 29 Milliarden Euro an Investitionen in den Verteilnetzausbau vermieden werden bzw. können 2,7 Milliarden Euro an potenziellen Zusatzkosten durch Vermeidung von Spitzenlastkapazitäten direkt den Verbrauchern zugutekommen.

Sie haben genau zu Beginn der Coronapandemie bei Eaton begonnen. Wie haben Sie diesen Start erlebt und welche Lehren haben Sie daraus für künftige Herausforderungen gezogen?
Die größte Herausforderung für mich war, mein Leadership-Team, meine Organisation und die Kunden von Eaton hauptsächlich virtuell kennenzulernen und gleichzeitig durch eine sehr herausfordernde und ungeprobte Zeit zu führen. Dabei stand die Sicherheit der Mitarbeiter an oberster Stelle, und ich bin stolz darauf, wie reibungslos die Umsetzung aller Maßnahmen funktioniert hat. Die Inkraftsetzung unseres globalen Business-Continuity-Plans hat dafür gesorgt, dass das Geschäft und der gute Kundenkontakt in Krisenzeiten aufrechterhalten wurden. Damit kann ich guten Gewissens sagen, dass Eaton für solche Zeiten gut vorbereitet ist. Nicht ohne Grund ist Eaton in Österreich nun mehrere Jahre in Folge als Top-Arbeitgeber ausgezeichnet worden.

Die Technikbranche gilt als männerdominiert. Was braucht es, um sie für Frauen attraktiver zu machen? Welche Rolle spielt Diversität für Eaton?
Die Förderung hin zu mehr Frauen in technischen Unternehmen und Rollen ist ein wichtiger Schritt zur Erreichung von mehr Vielfalt in der gesamten Elektrobranche. Jedes Unternehmen kann dazu beitragen; etwa durch die Einführung von Mentoring- und Karriereentwicklungsprogrammen, die Förderung flexibler Arbeitsbedingungen, die Bekämpfung von Diskriminierung und Vorurteilen sowie durch faire und transparente Einstellungs- und Beförderungsentscheidungen. Kommunikation und Bildsprache spielen dabei eine wichtige Rolle: Gezielt das Bewusstsein auf unbewusste Voreingenommenheiten zu lenken hilft dabei, traditionelle Denkmuster aufzubrechen. Das praktizieren wir im Rahmen sogenannter „Ally Roundtables“, in denen wir dieses Aufbrechen von Mustern thematisieren. Unsere Mission bei Eaton ist es, ein Vorbild für Inklusion und Diversität zu sein.

Letzte Frage: Wenn Sie Ihr 18-jähriges Ich treffen könnten: Welchen Karriereratschlag würden Sie sich geben – und worüber wäre Ihr damaliges Ich wohl am meisten erstaunt?
Ich würde meinem jüngeren Ich raten, weniger zu grübeln, unbedingt an meine Stärken und Fähigkeiten zu glauben und dabei aktiv den Austausch, Coaching und Netzwerke zu suchen. Ich bin davon überzeugt, dass es viel wichtiger sein kann, wie man etwas macht, als was man macht. Ziemlich gestaunt hätte ich mit 18 Jahren darüber, dass 2025 ein Interview mit mir in diesem Magazin erscheint.


ZUM UNTERNEHMEN
Eaton ist ein auf intelligentes Energiemanagement spezialisiertes Unternehmen, das sich dem Ziel verschrieben hat, für mehr Lebensqualität zu sorgen und die Umwelt zu schützen. Eatons Produkte kommen in den Bereichen Rechenzentren, Versorgungsunternehmen, Industrie, Handel, Maschinenbau, Wohn- und Zweckbau, Luft- und Raumfahrt sowie Mobilität zum Einsatz. Eaton nutzt die globalen Wachstumstrends der Elektrifizierung und Digitalisierung, um den Übergang zu erneuerbaren Energien zu beschleunigen und die Möglichkeiten im Energiemanagement voll auszuschöpfen.