Viele Überschriften, wenig Verbindliches: Österreichs Industrie braucht konkrete Maßnahmen

Das Koalitionsabkommen bleibt hinsichtlich großer Reformen vage – was die aktuelle Wirtschaftslagenicht zulässt.

Die neue Bundesregierung aus ÖVP, SPÖ und Neos ist angelobt – nun muss sie liefern, vor allem für den Industriestandort. Doch ihr Programm beinhaltet vor allem viele Überschriften, wenig Verbindliches. Dabei gibt es durchaus gute Ansätze, wie den Bürokratieabbau, die Deregulierung oder das Bekenntnis zur Exportwirtschaft. Mit den Pensionsanpassungen wurde der Reformbedarf des Pensionssystems zumindest angesprochen. Positiv sind zudem das Anheben der Forschungsquote, um die Technologiekompetenz der Industrie zu stärken, oder die Qualitätsoffensive in der Bildung. Doch bei den entscheidenden Maßnahmen für Wirtschaft und Industrie bleibt es im Gegensatz dazu bei wenig Substanz. Eine Senkung der Lohnnebenkosten? Bestenfalls ein langfristiges Ziel. Eine Strompreiskompensation? Vage. Eine Reduktion der Netzentgelte? Fehlanzeige. Gerade die Energiekosten sind derzeit neben den viel zu hohen Lohnstückkosten für viele Betriebe der größte Standortnachteil in Österreich. Während andere EU-Länder gezielt entlasten, herrscht hier weiterhin Unsicherheit.

Österreichs wirtschaftliche Herausforderungen lassen sich niemals isoliert betrachten, sondern müssen im internationalen Kontext gesehen werden. Angesichts der von den USA und Russland getriebenen eskalierenden Weltlage ist ein wirtschaftlich und militärisch starkes Europa nun mehr denn je gefragt. Auch unsere Energieunabhängigkeit durch Energiewende und Dekarbonisierung muss konsequent vorangetrieben werden – ohne dabei zu vergessen, dass energieintensive Betriebe noch lange auf wettbewerbsfähige Gaspreise angewiesen sein werden. Statt neuer Vorschriften braucht es gezielte Anreize für klimafreundliche Investitionen. Der Standort darf durch Gold-Plating nicht weiter unter Druck geraten. Ein Österreich, das sich selbst unnötig bremst, kann im globalen Wettbewerb nicht bestehen.

In den vergangenen Wochen wurde der Industriellenvereinigung vorgeworfen, eine politische Agenda zu verfolgen. Die IV versteht sich jedoch seit jeher als Anwältin für den Standort – ohne parteipolitische Zugehörigkeit. Ja, es wurden Maßnahmen gefordert und Klartext gesprochen – und das darf man sich weiterhin von der IV erwarten. Unsere Verantwortung als Industrie gilt der wirtschaftlichen Stärke des Landes sowie dem Wohlstand und der Lebensqualität aller in Österreich. Es geht um dringend notwendige Reformen, nicht kosmetische Reförmchen.

Die Industrie sichert mehr als eine Million Arbeitsplätze im Land. Werden Standorte ins Ausland verlagert oder geschlossen, steigt die Arbeitslosigkeit, während Investitionen und Steuereinnahmen ausbleiben – dadurch fehlen auch die Mittel für all die Leistungen, die so oft gefordert werden. Eine stabile Pension? Nur gesichert, wenn genug Beitragszahlerinnen und -zahler in Beschäftigung stehen. Ein funktionierendes Gesundheitssystem? Braucht ein solides Budget, das aus wirtschaftlicher Leistung finanziert wird. Investitionen in Infrastruktur und Sicherheit? Nur möglich, wenn der Staat es sich durch Einnahmen aus der Wirtschaft und Industrie leisten kann. Wohlstand entsteht nicht durch Umverteilung, sondern durch Wertschöpfung.

Dazu braucht es auch verantwortungsvolle Lohnabschlüsse. Die Sozialpartnerschaft hat über Jahrzehnte zur Stabilität des Landes beigetragen. In der aktuellen Lage müssen Lohn- und Gehaltsrunden aber mit Augenmaß abgeschlossen werden, denn der beste Schutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist ein sicherer Arbeitsplatz in Österreich.

Nach fünf Monaten Verhandlungen und politischem Stillstand gibt es endlich eine Regierung. Nun muss sie ihre Handlungsfähigkeit beweisen und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und Wirtschaft an oberste Stelle setzen. Dieser Vertrauensvorschuss sei ihr gewährt.


(Veröffentlicht am 6. März 2025 in der Tageszeitung „Der Standard“.)