Frau Zimmermann, wie läuft es derzeit in der Berndorf-Gruppe?
Wenn man sich das wirtschaftliche Umfeld anschaut, in dem wir uns befinden, eigentlich ganz gut. Manche unserer Firmen sind sogar exzellent ausgelastet. Allerdings sehen wir da und dort Schwierigkeiten, wie wahrscheinlich jedes Industrieunternehmen. Aber es geht uns nicht schlecht und wir haben keine Sorge, als Gruppe in die Verlustzone zu rutschen. Trotzdem: Wir haben schon bessere Jahre gehabt.
Die Berndorf-Gruppe ist sehr groß, mit einer langen industriellen Tradition. Was macht sie stark?
Zum einen die Diversifizierung: Wir sind ein Tausendfüßler, mit sechs verschiedenen Bereichen, die in sehr unterschiedlichen Industrien und Märkten tätig sind; mit jeweils eigenen Zyklen. Diese Vielfalt hilft. Und dann stärkt uns die Internationalisierung: Nicht nur, dass wir unsere Produkte weltweit verkaufen, wir produzieren auch in anderen Regionen; vor Ort, für dort – glocal, wie man so schön sagt.
Österreich ist ein teurer Produktionsstandort. Viele Unternehmen verlagern ins Ausland. Warum bleibt Berndorf?
Weil hier unsere Wurzeln sind. Wobei es vieles gibt, womit ich momentan in Österreich nicht zufrieden bin, was den Standort betrifft. Aber einen Betrieb verlagert man nicht von heute auf morgen. Außerdem leben unsere Betriebe vom Know-how unserer Mitarbeiter. Die kann man nicht einfach nach Indien versetzen.
Sie haben Einblick in andere Länder: Was läuft dort besser, was kann sich Österreich abschauen?
Was uns in Österreich – und in Europa – gerade besonders quält, ist das Thema Bürokratie. Die Berichterstattung, die uns aufgezwungen wurde oder die uns droht, ist teilweise EU-getrieben, teilweise national. Zum Beispiel die Nachhaltigkeitsberichterstattung: Es geht nicht darum, dass wir nicht klimafreundlicher wirtschaften wollen – aber 200-seitige Berichte, die nichts bewirken, außer Berater zu beschäftigen, sind absurd. Für die Unternehmen sind sie nur sinnlos. In den USA schüttelt man verwundert den Kopf über uns.
Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel?
Ich sitze auch im Aufsichtsrat eines weiteren Industriebetriebs außerhalb der Berndorf-Gruppe. Dort wurde erstmals ein solcher Bericht freiwillig veröffentlicht, weil bis zum Schluss nicht klar war, ob die gesetzliche Grundlage dafür schon heuer gilt oder nicht. 200 Seiten! Da steht so viel drin, bei dem man sich denkt: Das ist einfach nur Unsinn. Reine Zeitverschwendung, diese Tabellen. Aber es sind Vorgaben, die man erfüllen muss. Eines dieser klassischen Bürokratiemonster.
Was läuft aus Ihrer Sicht gut in Österreich?
Die Infrastruktur. Bahn, Straßen, Internet – das funktioniert. Wir haben ein Bildungssystem, das zwar noch erhebliches Verbesserungspotenzial aufweist, aber trotzdem qualifizierte Leute hervorbringt.
Und dennoch: Der Industriestandort steht unter Druck. Wo liegt das Potenzial?
Erstens: Die neuen Berichtspflichten – zum Beispiel die Nachhaltigkeitsberichterstattung oder das Lieferkettengesetz – müssen nicht aufgeschoben, sondern ersatzlos gestrichen werden. Kein „Omnibus“, kein Kompromiss – einfach weg damit. Zweitens: Wir brauchen auch eine Entrümpelung bestehender Regelwerke auf nationaler Ebene. Viele Vorgaben bringen keine Wertschöpfung oder Verbesserung für die Mitarbeiter, sie binden bloß Zeit und Ressourcen und kosten Geld. Drittens: die Lohnkosten. In Österreich sind wir bei circa 30 Prozent Lohnsteigerung in den vergangenen Jahren – weit über der Inflation. Wir sind sogar im Vergleich zu Deutschland oder der Schweiz zu teuer, von Asien rede ich gar nicht. Innerhalb Europas sind wir nicht mehr wettbewerbsfähig.
Was passiert, wenn sich nichts ändert?
Dann wandert die Industrie weiter ab. Das sehen wir schon jetzt. In Berndorf sperrt demnächst die Firma Schaeffler zu. Wenn sich nichts ändert, wird das weitergehen; weil es sich einfach nicht mehr rechnet. Die andere Möglichkeit ist: Es gibt ein echtes Umdenken. Die Regierung muss mutige Reformen endlich umsetzen. Es gibt jetzt einen Bürokratiebeauftragten – ich wünsche mir, dass er ebendiese Bürokratie maximal entschlackt. Und bei manchen EU-Vorgaben sollte unsere Regierung entschiedener auftreten und auch einmal sagen: Das setzen wir in Österreich nicht in nationales Recht um, weil es unseren Unternehmen schadet. Und bei den Lohnverhandlungen brauchen wir deutlich moderatere Abschlüsse. Die „Benya-Formel“ ist nicht mehr zeitgemäß. Dann könnte man den beginnenden Abwanderungsprozess stoppen.
Trotz allem: Wo sehen Sie Chancen für Ihr Unternehmen?
Wir sehen zwei interessante Felder. Eines ist Wasserstoff. Wir haben eine kleine deutsche Firma, die Gasreinigungsanlagen herstellt – die können auch Wasserstoff reinigen, zum Beispiel, wenn er aus Kavernen kommt und getrocknet werden muss. Das Geschäft boomt. Noch sind es erste Versuchsanlagen, aber wenn sich der Wasserstoffmarkt entwickelt, ist das für uns eine tolle Chance. Und das andere sind Freileitungsseile – da sind wir in einem Joint Venture. Auch das ist aktuell ein spannender Markt.
Trotz allem: Wo sehen Sie Chancen für Ihr Unternehmen?
Wir sehen zwei interessante Felder. Eines ist Wasserstoff. Wir haben eine kleine deutsche Firma, die Gasreinigungsanlagen herstellt – die können auch Wasserstoff reinigen, zum Beispiel, wenn er aus Kavernen kommt und getrocknet werden muss. Das Geschäft boomt. Noch sind es erste Versuchsanlagen, aber wenn sich der Wasserstoffmarkt entwickelt, ist das für uns eine tolle Chance. Und das andere sind Freileitungsseile – da sind wir in einem Joint Venture. Auch das ist aktuell ein spannender Markt.
Welche Rolle spielen Digitalisierung und KI?
Wir sind sehr dezentral aufgestellt. Jede Einheit prüft für sich, wie sie neue Technologien einsetzen kann – zur Effizienzsteigerung, zur Automatisierung von Verwaltungsprozessen. Das passiert; aber individuell.
Die Berndorf-Gruppe ist bekannt für ihre Unternehmenskultur. Wie fördern Sie Eigenverantwortung und Innovation?
Durch unser dezentrales Führungsmodell. Unsere Geschäftsführer und Mitarbeiter handeln sehr eigenverantwortlich. Wer eigenverantwortlich arbeiten kann, empfindet das als erfüllend; und wer am Erfolg seines Unternehmens direkt teilhaben möchte, kann das bei uns über unsere Mitarbeiterbeteiligungsmodelle tun. Innovation ist ein zentraler Wert – wir fördern sie über eigene Formate; mit Wettbewerben, wo Firmen ihre Ideen präsentieren und zusätzliche Mittel erhalten können, wenn die Jury überzeugt ist.
Sie engagieren sich auch stark im Bildungsbereich, etwa über die MEGA Bildungsstiftung. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Weil hier für jeden Menschen der Grundstein für seine Zukunft gelegt wird. Österreich ist eine Wissensgesellschaft – wir leben nicht vom Export von Rohstoffen, sondern von dem, was die Menschen in den Köpfen haben. Besonders wichtig ist mir dabei das Thema Chancenfairness: Nicht jedes Elternhaus ist gleich, aber im Bildungssystem sollte jedes Kind die gleiche Chance haben – egal, ob die Eltern Akademiker sind oder nicht. Momentan macht das einen großen Unterschied; und das ist nicht nur für die Kinder unfair, sondern auch ein Verlust für den Wirtschaftsstandort. Da gehen Talente verloren.
Sie haben ursprünglich Dolmetschen studiert – heute stehen Sie an der Spitze eines Industriekonzerns. War das immer Ihr Plan?
Nein. Nach der Schule wollte ich die Welt kennenlernen, deshalb das Sprachenstudium. Mein Vater hatte gerade den Buyout gemacht, es war für mich noch nicht absehbar, wohin die Reise für Berndorf geht. Erst Jahre später haben wir konkret gesprochen, wie es weitergehen könnte. Da wurde ich gefragt, ob ich mir grundsätzlich vorstellen könne, eine Rolle zu übernehmen. Das konnte ich. Und so wurde es dann festgelegt.
Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit heute am meisten Freude?
Die Gespräche mit den Menschen; das Nachdenken darüber, wie man das Unternehmen weiterentwickeln kann – und die Besuche vor Ort, ob in China, in den USA oder an unseren deutschen und österreichischen Standorten. Das mache ich wirklich gern.
ZUM UNTERNEHMEN
Die Berndorf Gruppe mit Hauptsitz in Berndorf (NÖ) vereint rund 70 Unternehmen weltweit, darunter HASCO, AICHELIN, Berndorf Band und Berndorf Bäderbau. Sie ist in Märkten wie Wärmebehandlung, Stahlbandanlagen, Formenbau, Verfahrenstechnik und Mechatronik tätig. Die Gruppe beschäftigte 2024 rund 2.300 Mitarbeiter. Mehr als 90 Prozent des Umsatzes werden international erzielt.