Die Arbeitswelt der Zukunft, deren Auswirkungen auf Niederösterreichs Wirtschaft und die Unterstützungsmöglichkeiten für heimische Unternehmen und Arbeitnehmer in diesem Umbruch standen im Mittelpunkt des Gipfels „Wirtschaft & Arbeit im Dialog“ mit Wirtschaftskammer Niederösterreich, Arbeiterkammer Niederösterreich, Industriellenvereinigung Niederösterreich, des Arbeitsmarktservice Niederösterreich, Sozialministeriumsservice, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner sowie Wirtschaftslandesrat Jochen Danninger und Arbeitsmarktlandesrat Martin Eichtinger. Hierbei kristallisierten sich vor allem die Themen Mitarbeiterfindung und Mitarbeiterbindung heraus. Der Gipfel fand in der Firmenzentrale von Würth Österreich in Böheimkirchen statt.
Auch Dank der engen Sozialpartnerschaft und der guten Kooperation mit dem Arbeitsmarktservice in Niederösterreich habe das Bundesland die Corona-Krise bislang besser gemeistert als viele andere Regionen Europas, erklärte Johanna Mikl-Leitner zum Beginn des Gipfels. „Für unser Bundesland wird für heuer ein Wirtschaftswachstum von 3,7 Prozent erwartet. Das ist noch immer ein solides Wachstum, aber es ist deutlich geringer als vor Beginn des Krieges in der Ukraine, dessen Folgewirkungen heute noch nicht abschätzbar sind. Auch am Arbeitsmarkt zeigt sich vorerst noch ein positives Bild: Ende März ging die Arbeitslosenquote auf sechs Prozent zurück. Ein Ergebnis, das wir zuletzt im Hochkonjunkturjahr 2008 erreichen konnten. Aktuell gibt es 41.828 arbeitslose Personen und über 20.000 offene Stellen in unserem Bundesland.“ Die Landeshauptfrau gab beim Gipfel das Ziel vor „Niederösterreich gemeinsam mit den Sozialpartnern zur Heimat der besten Köpfe zu machen“. Dabei spielt die Kompetenzorientierung eine wesentliche Rolle: „Wir planen als Initiative des Landes NÖ in den heurigen Sommermonaten die ‚NÖ Kompetenztour‘, um die vielfältigen Angebote, die der niederösterreichische Arbeitsmarkt bietet, direkt zu den Menschen in die Regionen zu bringen.“
Neben der Politik, die für die besten Rahmenbedingungen für die besten Köpfe mit unterschiedlichen Maßnahmen von Kinderbetreuung bis Mobilität sorgt, sind aber auch Betriebe und Arbeitnehmer selbst gefordert. „Die Zukunft der Arbeit erfordert Flexibilität und Unterstützung gleichermaßen. Eine konkrete Unterstützung erfolgt in Form eines neuen Projektes unter dem Titel ‚Talente-Magnet‘, welches in Zusammenarbeit von Wirtschaftskammer Niederösterreich und unserer Wirtschaftsagentur ecoplus entstanden ist. Dieses Projekt soll Unternehmerinnen und Unternehmer bei der Findung und Bindung von Mitarbeitern unterstützen und das eigene Unternehmen noch besser positionieren.“
Landesrat Jochen Danninger ergänzte: „Haben wir vor wenigen Monaten noch von einem Fachkräftemangel gesprochen, so müssen wir jetzt von einem Arbeitskräfte-Mangel quer durch viele Branchen sprechen. Deshalb müssen wir an vielen Stellschrauben drehen. Wir setzen mit dem Talente-Magnet ab Ende Mai auf Webinare der Wirtschaftskammer Niederösterreich, in denen die Unternehmen Tipps und Tricks samt einiger Best Practice Beispiele unterstützt werden. Zusätzlich gibt es Checklisten und geförderte Experten-Beratung für Unternehmerinnen und Unternehmer.“
„Aus- und Weiterbildung sind das beste Investment für die Zukunft, ob betriebliche Weiterbildung oder die persönliche berufliche Weiterentwicklung. Das Land NÖ unterstützt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Förderungen und Beratungsangeboten. Förderungen und Angebote, die den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Niederösterreich zur Verfügung stehen, sind im konkreten der Kompetenzatlas, die Lehrlingsbeihilfe, die Pendlerhilfe, die Bildungsförderung, die Karenzbetreuung, die Bildungsberatung sowie die Pflegekoordinierungsstelle. Mit der „NÖ Kompetenztour“ verfolgen wir das Ziel, eine breitgefächerte Zielgruppe anzusprechen, insbesondere Menschen auf verschiedenen Ausbildungsebenen und mit unterschiedlichen Berufserfahrungen“, so Arbeitsmarkt-Landesrat Martin Eichtinger.
„Die Arbeitswelten und der Arbeitsmarkt haben sich in den letzten Jahren rasant geändert. Zudem wurde aus einem Fachkräftemangel ein genereller Mangel an Mitarbeitern, der sich in allen Branchen bemerkbar macht. Daher wollen wir als Wirtschaftskammer gemeinsam mit dem Land NÖ unsere Betriebe mit gezielten EmployerBranding-Maßnahmen unterstützen. Wir geben ihnen dabei praxistaugliche Werkzeuge in die Hand, um sich als noch attraktiverer Arbeitgeber in Niederösterreich zu positionieren. Oft sind es auch ganz kleine Dinge, die für unsere Betriebe selbstverständlich sind und trotzdem einen Anreiz geben. Diese gilt es sichtbar zu machen“, sieht Wirtschaftskammer NÖ-Präsident Wolfgang Ecker vor allem für die Klein- und Mittelbetriebe großes Potential bei der Mitarbeiterbindung als auch bei der Suche nach neuem Personal.
Markus Wieser, Arbeiterkammer Niederösterreich-Präsident und ÖGB Niederösterreich-Vorsitzender betont: „Die Arbeiterkammer Niederösterreich ist der starke Partner der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, um sie auf ihrem Weg in die Zukunft bestmöglich zu unterstützen. Eine Reihe an Maßnahmen werden dazu bereits durchgeführt. Um die Vielfalt der Arbeitswelt und der dualen Lehrlingsausbildung kennenzulernen, ist frühzeitige Berufsorientierung wichtiger denn je. Deshalb wäre es wichtig, das Pflichtfach „Berufsorientierung, Sozial- und Alltagskompetenz“ für die 5. bis 8. Schulstufe an allen Schularten umzusetzen. Berufsorientierung mit entsprechenden Praxis-Inhalten wird ergänzt mit soziale Komponenten wie Gesellschaftliches Miteinander, Wissen über den Solidarstaat sowie Vereinswesen und Ehrenamt. Seit 1980 ist die Anzahl der Lehrlinge um 45 Prozent gesunken, die Berufs- und Bildungswegorientierung muss daher im Schulsystem fix verankert werden. Mit diesem neuen Pflichtfach entstünde eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.“
IVNÖ-Präsident Thomas Salzer unterstreicht: „Aufgrund der demografischen Entwicklung – Stichwort geburtenschwache Jahrgänge und Pensionierungen – ist der aktuelle Fachkräftemangel nur ein Vorbote zu dem, was noch auf uns zukommt. Die Industriebetriebe suchen vor allem Fachkräfte für den MINT-Bereich, also für den Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Genau dort entstehen auch die Jobs der Zukunft, die zudem besonders gute Aufstiegs- und Verdienstchancen bieten. Es kommt schließlich nicht selten vor, dass man nach einer abgeschlossenen Industrielehre gleich gut oder sogar besser verdient als nach so manchem Hochschulabschluss. Seitens der Industriellenvereinigung NÖ begrüßen wir daher die Maßnahmen rund um das vorgestellte Projekt „Talente-Magnet“, die dabei unterstützen, die Attraktivität der niederösterreichischen Industriebetriebe als Top-Arbeitgeber sichtbarer zu machen.
Sven Hergovich, Landesgeschäftsführer des AMS NÖ: „Die Personalnachfrage der niederösterreichischen Wirtschaft ist kräftig. Unser Ziel ist, dass heuer rund 73.000 beim AMS gemeldete Stellen mit einer Arbeitskraft besetzt werden. Und das rasch: 81,1% aller Stellenbesetzungen klappen innerhalb von drei Monaten. Bei nur 4,2% braucht es sechs Monate oder mehr. Um sehr dringenden Fachkräftebedarf in den Unternehmen decken zu können, werden wir heuer verstärkt auf Ausbildung von Jobsuchenden setzen, die direkt in den Betrieben am konkreten Arbeitsplatz stattfindet. 1.620 Jobsuchende bekommen heuer mit Training on the Job einen neuen Arbeitsplatz, und Arbeitgeber neue MitarbeiterInnen.“
„Mit dem NEBA Betriebsservice bietet das Sozialministeriumservice (SMS) den Unternehmen in Niederösterreich eine kostenlose professionelle Beratung zu allen Fragen rund um das Thema Arbeit und Behinderung. Dadurch wird es der Wirtschaft ermöglicht, vom Arbeitskräftepotenzial behinderter Menschen zu profitieren und gleichzeitig einen Beitrag zur Inklusion am Arbeitsmarkt zu leisten. Zusätzlich stellt das SMS den Betrieben im Bedarfsfall Förderungen zur barrierefreien Arbeitswelt und Lohnförderungen zur Verfügung, um die Arbeitsplätze nachhaltig abzusichern. Das NEBA Betriebsservice unterstützt die Unternehmen dabei, die richtigen Förderangebote zu finden und in Anspruch nehmen zu können. Unter Schaffung der richtigen Rahmenbedingungen entstehen dadurch win-win-Situationen auf Seiten der Wirtschaft und für Arbeitsuchende Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher“, führt Günther Widy vom Sozialministeriumservice aus.
Als Expertin für neues Arbeiten nahm Lena Marie Glaser, Gründerin von basicallyinnovative.com, am Gipfel teil. Sie nahm zum aktuellen Wandel in unserer Arbeitswelt Stellung und sieht ihn als Chance, um die Frage aufzuwerfen, wie wir eigentlich arbeiten wollen. „Der Schwerpunkt liegt darauf, die Perspektive der jungen Generationen verstehen zu lernen, die generationenübergreifende Zusammenarbeit zu fördern und die Unternehmenskultur zu modernisieren. Mit diesem Wissen und Know-How positionieren sich Unternehmen in Niederösterreich im Wettbewerb um die besten Talente als attraktiver Arbeitgeber, der auch in Zukunft ArbeitnehmerInnen gewinnt und hält“.