Eine Umfrage unter 600 Lehrbetrieben zeigt: Aufgrund der Corona-Krise werden in Niederösterreich diesen Herbst um 800 Lehrstellen weniger angeboten. Land NÖ, Wirtschaftskammer NÖ, Industriellenvereinigung NÖ, Arbeiterkammer NÖ und AMS NÖ sichern den Lehrbetrieben volle Unterstützung zu — Tenor: „Gemeinsam schaffen wir den Neustart für Niederösterreich!“
Das Land NÖ und die NÖ Sozialpartner beauftragten die Umfrage zur Situation der Lehrstellen und Ausbildungsbetriebe in Niederösterreich. Während 34 Prozent der befragten Unternehmen versicherten in diesem Herbst Lehrlinge ganz sicher aufzunehmen, sind sich 38 Prozent ganz sicher, keine Lehrlinge aufzunehmen. 23 Prozent der Betriebe sind sich noch nicht sicher, wie Sie sich entscheiden werden. „Im Durchschnitt werden zwei Lehrlinge pro Unternehmen aufgenommen. Im Vergleich zum Vorjahr stehen aus heutiger Sicht um 15 Prozentpunkte weniger Lehrstellen zur Verfügung. Viel wird davon abhängen, wie sich die wirtschaftliche Stimmung im Sommer entwickelt“, erklärt Peter Hajek, der die Umfrage im Auftrag des Landes NÖ und der NÖ Sozialpartner durchführte.
Insgesamt werden damit im Herbst voraussichtlich um 800 Lehrstellen weniger in Niederösterreich besetzt als noch im Jahr 2019.
Das Land Niederösterreich unterstützt Betriebe und Lehrlinge mit gezielten Fördermaßnahmen und der NÖ Lehrlingsoffensive von Land und AMS: „Lehrlinge können sich einen Lehrlingsbonus von 120 Euro monatlich abholen. Ziel ist, die Förderung von Lehrlingen, denn die Fachkräfte der Zukunft sind dem Land Niederösterreich wichtig. Auch Betriebe erhalten im Rahmen der Covid-Einstellungsbeihilfe von Land und AMS drei Monate lang bis zu 500 Euro, um junge Fachkräfte aufzunehmen. Das heißt jene Personen, die im ersten Halbjahr die Lehrabschlussprüfung absolviert haben. Gleichzeitig legen wir den Fokus auf die Ausbildung von jungen Menschen durch die Lehrlingsoffensive, die 7.000 Ausbildungsplätze umfasst“, so der für den Arbeitsmarkt zuständige Landesrat Martin Eichtinger.
Förderungen ein Ansporn
22 Prozent der Unternehmen gaben an, dass finanzielle Unterstützung ein Anreiz für die Aufnahmen von Lehrlingen wäre. „Das zeigt uns deutlich, Förderungen sind nicht das alleinige Mittel, aber mit Sicherheit ein Ansporn. Auch der von der Wirtschaftskammer geforderte und von der Bundesregierung geplante Bonus in Höhe von 2.000 Euro“, so Wolfgang Ecker, Präsident der Wirtschaftskammer NÖ: „Gerade vor dem Hintergrund, dass „Lehrlinge unsere Fachkräfte von morgen sind, müssen wir in Niederösterreich für die Lehre gezielte Angebote schnüren. Zum Beispiel könnten Ausbildungsverbünde, wo das WIFI für Lehrbetriebe einen Teil der Ausbildung abdeckt eine Chance sein. Sehr zugespitzt formuliert: Ich sehne mich angesichts von Corona geradezu nach dem nächsten Fachkräftemangel – denn dann ist unsere Wirtschaft wieder in voller Fahrt unterwegs.“
Industriebetriebe nach wie vor auf Lehrlingssuche
In der NÖ Industrie gibt es mehr als 200 Ausbildungsbetriebe mit über 2.400 Lehrlingen. „Da die Industriebetriebe in der Coronakrise weiterproduziert haben, sind sie die Lehrstellen dort besonders krisenfest. Bereits im April haben 78 Prozent der Industriebetriebe, die Lehrlinge ausbilden, in einer IV-NÖ-Umfrage angegeben, dass sie im Herbst genauso viele Lehrlinge aufnehmen wollen wie geplant“, so Thomas Salzer, Präsident der Industriellenvereinigung NÖ (IV-NÖ). Allerdings hatten die Unternehmen schon vor der Krise mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen. „Alle Lehrstellen, die jetzt unbesetzt bleiben, verschärfen in drei Jahren den Fachkräftemangel. Jugendliche, die aktuell auf Lehrstellensuche sind, haben nach wie vor gute Chancen, einen Ausbildungsplatz in der Industrie zu bekommen. Auf sie warten überdurchschnittliche Verdienstchancen und vielfältige Aufstiegsmöglichkeiten“, so Salzer.
Ausbau der Überbetrieblichen Ausbildung
„Es braucht ein Auffangnetz für Jugendliche, die aufgrund der Corona-Krise arbeitslos geworden sind oder keine Lehrstelle finden. Die zentrale Maßnahme dabei ist ein Ausbau der Überbetrieblichen Ausbildung (ÜBA), um so vielen jungen Menschen wie möglich eine qualifizierte Berufsausbildung zu ermöglichen. Denn eines ist klar: Wenn diese Krise vollständig überwunden ist, werden die Unternehmen jede Facharbeiterin und jeden Facharbeiter benötigen, um wieder durchstarten zu können. Die Überbetriebliche Ausbildung steht für eine hochwertige Berufsausbildung, die jungen Menschen eine bestmögliche Zukunftsperspektive ermöglicht. Seit dem Jahr 2000 wurden 23.630 Jugendliche in Niederösterreich in der ÜBA ausgebildet, die Erfolgsquote bei den Lehrabschlussprüfungen lag bei 96 Prozent“, so AK Niederösterreich-Präsident und ÖGB NÖ-Vorsitzender Markus Wieser.
Perspektiven für junge Generation schaffen
„Die Situation am Arbeitsmarkt für Jugendliche und Lehrstellensuchende hat sich durch den coronabedingten Shut-Down der Wirtschaft dramatisch entwickelt: Mit Stand Ende Mai sind beim AMS NÖ so viele Lehrstellensuchende vorgemerkt wie noch nie (1.308 Personen), seit es dazu statistische Aufzeichnungen gibt. Demgegenüber stehen 664 offene Lehrstellen, so wenige, wie seit zwei Jahren nicht mehr. Auch bei den arbeitslos vorgemerkten Personen unter 25 sieht es nicht gut aus: Mit 7.448 Personen Ende Mai verzeichnen wir hier einen Anstieg von 98,5%-Punkten gegenüber dem Vorjahr, hier war nur der Jahresanstieg im April 2020 gegenüber April 2019 mit 114,6%-Punkten noch größer“, analysiert AMS NÖ-Landesgeschäftsführer Sven Hergovich die Lage, und weiter: „Kurzum: Alle Partner am Arbeitsmarkt sind gefordert, der jungen Generation Perspektiven zu bieten! Die nö. Lehrlingsoffensive mit ihren drei Säulen der Überbetrieblichen Lehrausbildung, den Jugendbildungszentren und dem Programm „Auf zum Lehrabschluss“ sowie die enge Zusammenarbeit von Land, Sozialpartnern und AMS ist wichtiger denn je: Sie bildet – auch in herausfordernden Zeiten – die Grundlage dafür, dass kein Jugendlicher in Niederösterreich ohne Lehr- oder Ausbildungsplatz bleibt.“