Was sehen Sie eigentlich als größte Gefahr für den Industriestandort Niederösterreich/Österreich?
Die letzten Kollektivvertrags-Verhandlungen waren eine Steilvorlage für die Wettbewerbsfähigkeit. Die Fertigungskosten sind mittel- und langfristig gesehen für mich eine große Herausforderung. Da geht es um die Personalkosten, aber natürlich auch um die Energiekosten. Bei den Energiekosten pendeln wir uns trotz einer gewissen Beruhigung gerade auf die doppelten Kosten von 2019/2020 ein, und das wird voraussichtlich auch so bleiben.
Ein weiteres Problem stellt der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften dar, sowohl im Bereich Fertigung als auch in den Bereichen Instandhaltung, Engineering und Konstruktion. Wir beobachten auch bei unseren Lieferanten Engpässe, sei es bei der Lagerhaltung von Teilen oder beim Einsatz von Ingenieuren für Serviceleistungen. Der Fachkräftemangel betrifft also nicht nur unser Unternehmen, sondern auch unsere Zulieferer. Das hat über diesen Weg direkte Auswirkungen auf unsere Betriebsabläufe, was sich teilweise in längeren Wartezeiten auf Ersatzteile und Serviceleistungen niederschlägt.
EU-Regelungen wie das geplante Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz stellen ebenfalls eine erhebliche Belastung dar. Als mittelständisches Unternehmen sehen wir uns mit zunehmend bürokratischen Anforderungen konfrontiert, die unsere Ressourcen binden und unsere Flexibilität einschränken. Obwohl diese Gesetze oft zum Schutz von Arbeitnehmern und Verbrauchern erlassen werden, stellen sie eine zusätzliche (finanzielle) Belastung dar. Ich bin jedoch skeptisch, ob wir diese Belastungen so kommunizieren können, dass Kunden bereit sind, dafür höhere Preise zu akzeptieren - insbesondere, weil wir uns in einem internationalen Wettbewerbsumfeld befinden.
Es ist eine Gratwanderung zwischen dem Schutz von Interessen und der Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit. Ich verstehe, warum solche Maßnahmen ergriffen werden. Natürlich sind höhere Sozial- und Umweltstandards wichtig. Doch die entscheidende Frage lautet: Bleiben wir konkurrenzfähig, oder wird einfach dort gekauft, wo es billiger ist und keine Rücksicht auf Menschenrechte genommen wird? Ich bezweifle, dass mit den geplanten EU-Regelungen das angestrebte Ziel erreicht wird.
Wenn Sie drei grundlegende Dinge am Standort NÖ ändern könnten, welche wären das?
Zunächst möchte ich betonen, dass wir in Niederösterreich bereits Vieles sehr gut machen, sowohl im Vergleich zu anderen Bundesländern als auch im internationalen Kontext. Wenn ich jedoch etwas ändern könnte, würde ich als erstes die öffentliche Anbindung ansprechen. Insbesondere für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aus Wien kommen oder unsere Lehrlinge/Auszubildenden ohne Führerschein, stellt dies eine Herausforderung dar. Eine verbesserte Verkehrsanbindung würde nicht nur die Mobilität unserer Belegschaft verbessern, sondern auch die Attraktivität des Arbeitsplatzes steigern und niederösterreichische Standorte im Wettbewerb um Fachkräfte stärken.
Ein großes Thema ist „Leistung muss sich wieder lohnen“: Welchen Wert hat für Sie Arbeit?
Persönlich bin ich davon überzeugt, dass der Mensch von Natur aus danach strebt, Leistung zu erbringen. Dabei geht es nicht nur um finanzielle Entlohnung, sondern vielmehr darum, einen Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten und Anerkennung für seine Leistungen zu erhalten. Es ist erfüllend, wenn man gemeinsam im Team kommuniziert, erfolgreich Projekte umsetzt oder innovative Produkte entwickelt.
Work-Life-Balance, Teilzeit, Vollzeit: Wie kann man Menschen motivieren, „mehr“ zu arbeiten?
Für mich liegt der Kern darin, dass es nicht nur um die Bezahlung geht, sondern auch darum, Anerkennung für die Leistung und das Endprodukt zu erhalten. Wir fertigen bei Hasco z.B. Stahlplatten, ein Produkt, das in der Endfertigung eher abstrakt wirkt. Doch ich betone stets gegenüber meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass das, was sie tun, von unschätzbarem Wert ist. Ich glaube fest daran, dass es jedem Industriebetrieb möglich ist, die Verbindung zwischen dem eigenen Produkt und dem Endprodukt herzustellen und diese Wertschöpfung zu vermitteln.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist unsere Flexibilität bei der Arbeitsgestaltung, um auf individuelle Bedürfnisse einzugehen. Wir ermöglichen es beispielsweise Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, Urlaubstage flexibel zu nutzen, um z.B. kurzfristige familiäre Verpflichtungen zu erfüllen. Wir bieten auch flexible Arbeitszeiten an, wie individuelle Arbeitszeitanpassungen, um den unterschiedlichen Lebensumständen gerecht zu werden. Unsere Belegschaft weiß, dass wir auf ihre Lebensphasen Rücksicht nehmen und dafür sind sie bereit, sich voll und ganz für das Unternehmen einzusetzen.
In Bezug auf Teilzeitarbeit glaube ich, dass wir uns von dem traditionellen Konzept verabschieden müssen, bei dem man sich entweder für Vollzeit oder für Teilzeit entscheidet. Es sollte vielmehr möglich sein, flexibel zwischen verschiedenen Arbeitszeitmodellen zu wechseln, je nach den individuellen Lebensumständen und Bedürfnissen. Als Arbeitgeber müssen wir hier flexibler denken und agieren.
Wie stehen Sie zur Vier-Tage-Woche?
Ich betrachte das Thema kritisch, insbesondere im Kontext des internationalen Wettbewerbs. In Österreich haben wir bereits mit 38,5 Stunden und zahlreichen Feiertagen vergleichsweise wenige Arbeitsstunden im europäischen Umfeld. Eine Vier-Tage-Woche würde eine Herausforderung darstellen, insbesondere in Branchen wie zum Beispiel Pflege, Einzelhandel und Bildungswesen. Wir müssten berücksichtigen, wer dann noch die Kontinuität der Dienstleistungen sicherstellt, wenn viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur noch vier Tage arbeiten möchten. Aber auch in der Industrie: Mein Fräser dreht ja nicht schneller, weil er vier statt fünf Tage arbeitet - sondern der Mitarbeiter ist kürzer da.
Überhaupt erscheint mir die Idee eines vollen Lohnausgleichs bei einer Arbeitszeitverkürzung, deren Umsetzung auch mit dem Argument der Produktivitätssteigerung beworben wird, als eine interessante, aber auch herausfordernde Dynamik zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Es scheint fast wie ein Vorwurf an die Arbeitskräfte zu sein: Ihr könntet bereits jetzt immer 20 Prozent mehr leisten, durch höhere Effizienz.
Um eine gesteigerte Produktivität zu erreichen, müsste der Druck auf die Mitarbeiter erhöht werden. Das Arbeitsvolumen bliebe gleich, aber es wird erwartet, dass die Belegschaft damit besser zurechtkommt. Dabei könnte jedoch der soziale Zusammenhalt innerhalb des Teams verloren gehen, da weniger Zeit für informelle Gespräche oder Pausen bleibt.
Was mir in der Debatte zu diesem Thema außerdem fehlt, ist eine Langzeitstudie, die die langfristigen Auswirkungen einer solchen Maßnahme beleuchtet. Vielleicht kann ich zu Beginn alles bewältigen, aber bleibt dies auch nach drei Jahren noch so? Eine dauerhafte Produktivitätssteigerung um 20 Prozent könnte problematisch werden, insbesondere wenn Mitarbeiter ausfallen oder in den Urlaub gehen. Wer übernimmt dann die zusätzliche Arbeit, wenn kein Spielraum mehr besteht? Diesen Spielraum haben wir im Moment.